Am 26. September 2024 luden bioverita und die Bio-Gärtnerei Watzkendorf zum Feldtag nach Watzkendorf ein. Teilnehmer:innen waren interessierte Gärtnerinnen und Gärtnern, die Anbauberater Jörg Schlösser (Bingenheimer Saatgut AG) und Holger Buck (Naturland), Vertreter aus Wissenschaft und Forschung sowie Timo Tottmann, Geschäftsführer von Großhändler Terra Naturkost.
Gemeinsam diskutierte man über Chancen und Herausforderungen der biologischen Züchtung und sah sich exemplarisch auf dem Feld Sellerie und Porree im Sortenvergleich an.
Viel Gesprächsbedarf
Bio-Züchtung sei klar die Richtung, in die sich die Züchtung in Zukunft bewegen solle, führte Jörg Schlösser ins Thema des Feldtages ein. Wer Gentechnik, eine Verarmung der Sortenvielfalt und die Abhängigkeit von wenigen großen Saatgutproduzenten ablehne, käme an Bio-Züchtung nicht vorbei. In der Gruppe wurden viele Fragen diskutiert: Wie die Sorten aus Bio-Züchtung stärken? Müssen sie im Handel querfinanziert werden? Sollte die Nachfrage nach Sorten aus Bio-Züchtung in Handel generiert werden, um den Anbau anzukurbeln oder sind die Kunden im Naturkostfachhandel bereits überladen mit Informationen, die ihre Kaufentscheidung beeinflussen sollen? Ist die Verwendung von Hybridsaatgut parallel zu den samenfesten Sorten notwendig oder geht es auch ohne?
Ist die Unterstützung der Bio-Züchtung ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für den Naturkostfachhandel, um sich von LEH und Discountern, bei denen es mittlerweile auch Verbandsware gibt, abzuheben? Wie lässt sich das kommunizieren? Hannah Grebe, Mitarbeiterin von bioverita, berichtete beim Feldtag über die Tätigkeiten des Vereins. Im Mittelpunkt steht, die Bio-Züchtung bekannter zu machen und den Anbau und die Vermarktung der Sorten aktiv zu fördern. Sie stellte auch die neue Mitgliederkategorie für Direktvermarkter vor, durch die bioverita enger mit den Erzeuger:innen zusammenarbeiten und ihre wertvolle Arbeit mit den Bio-Sorten in der Vermarktung unterstützen möchte.

Gute Bilanz für Sellerie Porthos
Die Bio-Gärtnerei Watzkendorf ist seit vielen Jahren Mitglied bei bioverita und produziert Jungpflanzen und Gemüse, u. a. für den Naturkostgroßhandel Terra. Durch die Partnerschaft der Gärtnerei mit bioverita werden anteilig immer auch Sorten aus Bio-Züchtung angebaut. Anbauleiter Max Liebrich ist interessiert am Thema und offen, neue Sorten auszuprobieren. In diesem Jahr hat er extra für den Feldtag die bioverita-Sorten Porthos (Knollensellerie) und Sevino (Porree) im direkten Vergleich mit anderen Sorten angebaut. Besonders der Sellerie Porthos zeigt sich auf dem Feld kräftig und gesund.
Im direkten Vergleich mit dem samenfesten Sellerie Diamant und zwei Hybriden fällt er etwas kleiner aus. Das kann am Markt jedoch ein Vorteil sei, wie die Gärtner und Gärtnerinnen vorbrachten. Durch verringerte Pflanzabstände könnten so auf der gleichen Fläche mehr Sellerie wachsen. Beim Anschnitt der Knollen fallen im Vergleich die dunkleren Flecken der samenfesten Sorte auf. Die Flecken beinhalten die sellerietypischen ätherischen Öle und versprechen einen intensiven Geschmack.

Die Ansprüche an eine Sorte sind sehr unterschiedlich
Beim Porree Sevino zeigte sich Liebrich weniger zufrieden, da die Stangen nicht regelmäßig wachsen und mehrere Erntedurchgänge nötig sind, um dem Handel einheitlich große Stangen liefern zu können. Zudem war der Porree weniger gesund als die Vergleichssorten und zeigte eine leichte Zwiebelbildung, die das Putzen der Stangen nach der Ernte erschwert. Anbauberater Jörg Schlösser berichtete, dass das einfache Putzen ein wichtiges Züchtungsziel war und versprach eine direkte Rückmeldung an die Züchterin. Gärtner:innen, die in kleinstrukturierteren Betrieben und Solawis arbeiten, begrüßen den ungleichmäßigen Wuchs, weil sie die Sorte so länger beernten können.
An diesem Beispiel zeigte sich, wie wichtig ein solcher Austausch und wie unterschiedlich die Ansprüche und Sichtweisen verschiedener Beteiligter sind. Der Mehraufwand, der durch Sorten aus Bio-Züchtung entsteht, müsse entsprechend vom Handel entlohnt werden, so Liebrich, sonst rentiere sich der Anbau dieser Sorten nicht. Anders beim Sellerie. Den möchte Liebrich im nächsten Jahr auf jeden Fall noch einmal anbauen, um zu überprüfen, ob sich die Sorte weiterhin überzeugend zeigt.

Bio-Züchtung aus der Nische holen
Dass „geprimte Rote Bete-Saatgutpillen zur Einzelablage mit pneumatischen Drillmaschinen“ auch zur Zukunft der Bio-Züchtung gehören, ließ Timo Tottmann aufhorchen. Er war beeindruckt vom gärtnerischen Fachjargon und der Tiefe der Auseinandersetzung bei diesem Feldtag. Seine Abschlussworte ernüchterten und motivierten zugleich:
Um die Bio-Züchtung aus der Nische zu holen, müsse man einfach kämpferischer und provokanter vorgehen. Diese Worte hallten wohl in allen Beteiligten des Feldtages nach. Als weiteres Fazit wurde festgehalten, dass am Ende jeder Gärtner und jede Gärtnerin selbst entscheidet, welches Saatgut er oder sie in die Erde legt.

Fotos: bioverita