Züchterporträt Fadi Kanso
Fadi Kanso (Jg. 1981) entdeckte sein Interesse für Saatgut während des Studiums der Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim. Wenig überraschend also, dass er später den Masterstudiengang „Pflanzenzüchtung und Saatgutkunde“ wählte. „Ich habe auch damals schon die biologische Landwirtschaft favorisiert“, berichtet Kanso. Aus diesem Grund ergänzte er das Studium mit Wahlfächern aus den Tropen und Subtropen, welche landwirtschaftliche Praktiken anderer Klimazonen genauer unter die Lupe nahmen. Das ermöglichte ihm, sich über den Horizont der konventionellen Landwirtschaft hinaus weiterzuentwickeln.
Seit dem Abschluss im Jahr 2010 war sein Weg von mehreren Stationen geprägt: Beginnend mit einem Praktikum in Frankreich ging es weiter mit einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Hohenheim. Anschließend war er selbstständiger Agrarberater in seinem Heimatland Libanon. Nach einigen Jahren kehrte er zurück nach Europa und begann in der Schweiz bei der Sativa Rheinau AG in der Züchtung zu arbeiten. Dort ist er nun seit 2016 tätig.

Nur eine Kultur zu züchten wäre langweilig
Fadi Kanso beschäftigt sich gerne parallel mit einer Vielzahl von Gemüsekulturen: Er arbeitet nicht nur an Zucchini, Chinakohl, Räben (schweizerisch für Bete) oder Blumenkohl, sondern auch an zahlreichen Kräutern. Zusätzlich gilt seine Aufmerksamkeit der Züchtung einer neuen Ringelblumensorte (Calendula), die als Heilpflanze und für die Verarbeitung in Kosmetika eingesetzt werden soll.
In diesem Zuge ist bereits eine Sorte Calendula als Zierpflanze entstanden. „Das war nicht mein primäres Ziel, ist aber trotzdem eine schöne Bereicherung für jeden Garten“, schmunzelt Kanso.

Besonderes Projekt auf Sardinien
Vor einigen Jahren hat der Züchter für Sativa einen Winterzuchtgarten in Sardinien aufgebaut. Dieser ermöglicht, auch während der Wintermonate die Züchtungsprojekte fortzuführen. „Während man in der Schweiz mit dem Anbau der nächsten Generation einer Züchtungslinie bis zum Frühjahr warten müsste, ermöglichen die klimatischen Bedingungen auf Sardinien, eine weitere Anbausaison einzuschieben“, erklärt Kanso. Den Sommer über wachsen die Kulturen auf den deutschen und Schweizer Feldern von Sativa. Während des Winters gedeiht dann die nächste Generation auf Sardinien. So werden auch die Monate September bis März wortwörtlich früchtetragend genutzt.
Inzwischen leitet Fadi Kanso den Zuchtgarten als seinen eigenen Betrieb Sa Frisa (www.safrisa.bio). Alternierend ist er immer wieder in Rheinau, um auch hier seine züchterischen Tätigkeiten fortzuführen. Gleichzeitig baut er ein Netzwerk um seinen Betrieb Sa Frisa auf. So wissen, neben Sativa, auch weitere Züchtungsorganisationen wie Cultivari und die Getreidezüchtung Peter Kunz die Saatgutvermehrung auf Sardinien zu schätzen.

Drei neue Sorten auf einmal
Sativa beschäftigt sich bereits seit 2013 mit der Züchtung neuer Zucchinisorten. In den letzten vier Jahren wurden drei neue Zucchinisorten auf den Markt gebracht: Inizia, Hermosa und Samsara. In diesem Beitrag ist der Züchtungsprozess der Sorten detaillierter erklärt. Während Inizia bereits 2021 als Sorte angemeldet wurde, kamen 2023 Hermosa und 2024 Samsara hinzu.
Die ersten beiden sind bereits bioverita-zertifiziert, Samsara muss erst noch den Zertifizierungsprozess von bioverita durchlaufen. Alle drei Sorten sind ertragsstark, leicht süßlich im Geschmack und sowohl für den Profi-Anbau als auch für Hobbygärtner geeignet. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es einige Unterschiede bei den Sorten.

Unterschiede der Sorten
Inizia ist eine frühe Sorte, mit einem langen Erntefenster. Farblich gesehen ist sie deutlich heller als die anderen beiden Sorten und hat eine leichte Scheckung. „Für die Ernte braucht es etwas Übung“, erläutert der Züchter, „denn die Früchte sind nicht ganz leicht abzunehmen. Ein Profigärtner würde die Früchte eher abschneiden als brechen“. Hermosa ist ebenfalls eine frühe Sorte, allerdings mit einer schönen dunkelgrünen Färbung. Die Fruchtstiele sind deutlich länger als bei Inizia, was die Ernte etwas erleichtert. Bei beiden Sorten handelt es sich um Pflanzen mit dem herkömmlichen, kriechenden Wuchs. Das heißt, dass Blätter und Früchte nah am Boden liegen.
„Um die Ernte zu vereinfachen, habe ich eine Zucchinisorte mit aufrechtem Wuchs in das bestehende Genmaterial eingekreuzt. Dadurch entstand die Sorte Samsara. Sie ist eine spätreife, dunkelgrüne Sorte, die die Hitze des Sommers benötigt, um die volle Leistung zu erbringen“, erklärt Kanso. Im Gegensatz zu Inizia und Hermosa wächst sie palmenartig in die Höhe. Das erleichtert die Sichtbarkeit und die Ernte der Früchte. Zusätzlich zeichnet sich Samsara durch das einfache Brechen der Früchte aus.

Bei der Züchtung gibt es viel zu beachten
Bei der Züchtung von Zucchini geht es neben Form, Farbe und Geschmack auch um weitere Faktoren. Für die Ernte spielt es eine große Rolle, wie leicht sich die Früchte von der Pflanze lösen lassen. Idealerweise kann man die Früchte ganz einfach am Stiel abbrechen und benötigt kein Messer zum Abschneiden. „Neben der einfachen Erntbarkeit und der Widerstandskraft gegen Krankheiten ist aber auch die Größe des Blütenstempels relevant“, betont der Züchter, und zeigt dabei auf die helle Vernarbung am Ende der Früchte.
Dieser sogenannte Stempel sollte möglichst klein und fein sein, um Schädlingen keine Eintrittspforte zu bieten. Dies ist vor allem wichtig bei Früchten, die lange haltbar sein sollen, weil sie z.B. lange Transportwege zurücklegen müssen. Ist der Stempel zu groß, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass ein Faulungsprozess eintritt.

Entwicklungspotentiale
Aus der Sicht eines Züchters ist eine Sorte nie komplett fertig. Es gibt immer Möglichkeiten und Potential für Veränderungen. Zudem sind Pflanzen Lebewesen, die sich über Generationen auch selbst verändern. „Genau das ist es, was die Züchtung für mich so spannend macht. Sie bietet Raum für Ideen und Entfaltungsmöglichkeiten“, beschreibt Fadi Kanso seine Leidenschaft.
Er geht mit offenen Augen durch die Gärtnerwelt und experimentiert mit verschiedensten Kulturen. In seinem Zuchtgarten auf Sardinien hat er die Möglichkeit, auch ungewöhnlichen Ideen nachzugehen. Daraus entstand schon mehrmals eine neue Sorte, die nun das Sortiment von Sativa bereichert.

Fotos: Fadi Kanso, bioverita