Porträt von Züchterin Reinhild Frech-Emmelmann
Aufgewachsen ist Reinhild Frech-Emmelmann, eine der Gründungsfiguren der Züchtung für den biologischen Erwerbsgemüseanbau, im Dreiländereck Deutschlands. „Prägend für mich waren die Vielfalt, die ich als Kind im großelterlichen Selbstversorgergarten erlebte und all die damals noch unbekannten Gemüsearten wie Brokkoli oder Stielmangold.
Diese gab es bei uns durch die Nähe zur Schweiz und dem Elsass,“ blickt sie zurück. Nach der Schule studierte Frech-Emmelmann zunächst Biologie in Tübingen. Später, während ihrer Ausbildung zur Keramikerin, beschäftigte sie sich intensiv mit der Literatur Rudolf Steiners.
Demeterhof Frech-Emmelmann
Seit 42 Jahren lebt die Züchterin nun in der kleinen Ortschaft St. Leonhard am Hornerwald. Die Ortschaft liegt auf 500 Meter Höhe, das Waldviertel ist bekannt für sein eher raues Klima. Als sie im Jahr 1979 mit ihrem Mann den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb erwarb, war es für sie klar, die drei Hektar biologisch-dynamisch zu bewirtschaften. „Damals waren wir der erste und einzige Demeter-Betrieb in der ganzen Gegend“, erinnert sie sich.
Zunächst noch hauptberuflich als Keramikerin tätig, baute sie Dinkel und Gemüse zur Selbstversorgung an. Bereits in dieser Zeit begann sie, Testreihen zu Aussaaten nach Gestirnskonstellationen durchzuführen und erprobte den Anbau von wärmeliebenden Kulturarten wie Paprika und Auberginen, die im Waldviertel damals noch recht unbekannt waren. Es waren zahlreiche Versuche notwendig, um herauszufinden, welche Gemüsekulturen hier überhaupt gediehen.
Samenpflegevereinigung, Fructus, Arche Noah
Rasch erkannte Frech-Emmelmann gemeinsam mit anderen aus der Demeter-Arbeitsgruppe das Potential der samenfesten Sorten, die es damals in Österreich noch gab. Enttäuscht über die wenigen verfügbaren samenfesten Sorten für den biologischen Anbau, tat sie sich mit anderen österreichischen Bio-Pionieren zur „Samenpflegevereinigung“ zusammen. Zudem gab es einen regen Austausch mit dem Verein „Fructus“ in der Steiermark. Das verbindende Ziel war die Erhaltung von alten Handels- und Lokalsorten, die zunehmend vom Markt verschwunden und durch nicht nachbaufähige Hybridsorten ersetzt worden waren.
1990 gründeten sie den Verein „Arche Noah“, der 2020 sein 30-jähriges Bestehen feierte. Frech-Emmelmann wurde Mitglied des ersten Vorstandes, legte aber bald einen anderen Schwerpunkt für ihre Züchtungsarbeit: Sie interessierte sich zunehmend für die professionelle Neuzüchtung und Sortenentwicklung. Dafür besuchte sie viele Betriebe in Deutschland und lernte von ihnen, arbeitete drei Monate bei Sativa in der Schweiz. Ihr Lehrmeister war der (2005 verstorbene) Ätherforscher und Pflanzenzüchter Georg-Wilhelm Schmidt, von dem sie wichtige Impulse erlernen durfte. Seitdem ist viel passiert.
Vom Pionierbetrieb zur ReinSaat KG
Mittlerweile umfasst der biodynamische Betrieb rund 35 Hektar. Längst bewirtschaftet sie diesen gemeinsam mit einem großen Team, 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten für ReinSaat. Auf fünf Hektar wachsen Samenträger von Gemüse, Kräutern und Blumen. Die Fläche unter Glas umfasst rund einen Hektar. Die zahlreichen Gewächshäuser sind nötig, um die Saison zu verlängern und die Samenträger einzelner Kulturen zu überwintern.
In Isoliertunnels werden fremdbefruchtende Kulturarten voneinander isoliert. Frech-Emmelmann erinnert sich: „Klar, war der Start heftig. Ich hatte null Kapital, doch die klare Vision, dass ich mit drei Hektar 300.000 Hektar Land begrünen kann. Diese tiefe Überzeugung hat mich immer wieder durch viele Schwierigkeiten getragen.“
Beeindruckendes Sortiment
Der Katalog der Firma umfasst 700 samenfeste Sorten. Zusammen mit vielen helfenden Händen sind bis heute 50 Neuzüchtungen mit EU-Anmeldung entstanden, 15 weitere befinden sich derzeit in Anmeldung. Dazu kommen 80 Neuzüchtungen, die für den Anbau unter besonderen Bedingungen (sogenannte
BB-Sorten) registriert sind, und auch hier laufen weitere Anmeldungen. „Die BB-Anmeldungen sind ein pragmatischer Zwischenschritt zur EU-Anmeldung, um zu schauen, wie sich eine neue Sorte etabliert und wo sie sich bewährt“, erklärt die Züchterin.
bioverita-zertifizierte Sorten
20 der Neuzüchtungen der ReinSaat KG sind bereits bioverita-anerkannt, weitere befinden sich im Prüfungsprozess. Parallel ist die ReinSaat KG für 15 Sorten als Erhaltungszüchterin eingetragen, 14 sind im Anerkennungsverfahren. Als Erhaltungszüchtung bezeichnet man den regelmäßigen Nachbau und die Selektion von Pflanzen mit besonders guten Eigenschaften, um die typischen Qualitäten dieser Sorte zu erhalten. Die übrigen der 700 Sorten im Katalog haben keinen Sortenschutz
und befinden sich in der Erhaltungszüchtung bei ReinSaat. Die ReinSaat KG hat von Anfang an mit organisch-biologischen Betrieben in den typischen Regionan für Gemüseanbau und Saatgutvermehrung in Österreich kooperiert. Einen Großteil der angebotenen Sorten vermehrt ReinSaat selbst. „Das, was wir selber machen, haben wir selbst in der Hand, da kenn‘ ich die Qualität,“ begründet die Unternehmerin.
Profisorten
Die Züchtungsarbeit der ReinSaat KG finanziert sich fast ausschließlich durch den Saatgutverkauf. Ein Großteil des Vertriebs läuft über Großhändler und Wiederverkäufer, die Saatguttüten an Hausgärtner vermarkten. Ein wichtiges Standbein ist außerdem der Onlineversand in viele europäischen Länder und darüber hinaus.
„Wir merken, dass immer mehr Erwerbsgärtner etwas Neues ausprobieren wollen und bei uns bestellen,“ berichtet Frech-Emmelmann. Denn viele Sorten haben sich mittlerweile auch im Erwerbsgemüsebau bewährt.
Die Liebe zu mediterranen Gemüsen
Die Lieblinge der Züchterin sind Tomaten, Mangold sowie Paprika, Pfefferoni und Chili, 50 verschiedene Sorten finden sich im Katalog. Bestseller ist die Sorte Cubo Orange, ein oranger Blockpaprika, der besonders fruchtig-süß und seit 2017 als EU-Sorte angemeldet ist. „Für diese Züchtung habe ich Massen von Pflanzen bonitiert, verkostet, vermessen“,
erinnert sich Frech-Emmelmann. Wie allen biologischen Züchter*innen ist auch ihr die Geschmacksselektion wichtig. Die Züchtung von Cubo Orange erfolgte im Gewächshaus, der Anbau hat sich mittlerweile bei ReinSaat auch im Freiland bewährt, selbst in nassen Jahren.
Italienische Blattgemüse
Doch auch italienische Blattgemüse sind ein fixer Bestandteil des Züchtungsprogramms. Die Mangold-Sorte Jessica entstand in Kooperation mit einem Gemüsebaubetrieb in Eferding in Oberösterreich.
Der schnell wachsende Stielmangold kann als Ganzes geerntet und vermarktet werden. Die Sorte Tre Colori ist ein mittelhoher, bunter Stielmangold, dessen Farbe auch beim Kochen erhalten bleibt. Beide Neuzüchtungen sind in der EU anerkannt.
Fülle für unsere Teller
Auch für andere wärmeliebende Kulturen hat sich der Anbau im Freiland für Vermehrung und Züchtung bewährt. Durch die klimatischen Bedingungen in 500 m Seehöhe sind die Sorten abgehärtet und können sich an andere Standorte gut anpassen. Insgesamt laufen derzeit Projekte zu 20 neuen Züchtungen.
Darunter zu gelber Zucchini, Pak Choi und anderen Asia-Gemüsen, Chinakohl, Kohlrabi, Mangold sowie Popkornmais. Eine breite Palette also. Man merkt, bis heute treibt Frech-Emmelmann ihre Vision von damals an: Fülle zu schaffen und eine hohe Nahrungsqualität durch die Züchtung von gentechnikfreien, samenfesten Sorten zu ermöglichen.
Fotos: ReinSaat KG, Abbildung Fructus-Katalog: ARCHE NOAH (ehem. Samenpflegevereinigung & Fructus)