Theorie und Wissen – und viele Überraschungen

Porträt von Züchterin Kathrin Buhmann

Für Züchterin Kathrin Buhmann liegt der Reiz ihrer Arbeit zwischen diesen beiden Polen: Der theoretischen, wissenschaftlichen Seite und den Überraschungen, die die Natur stets bereithält. „Aufgrund der Theorie hat man eine bestimmte Erwartungshaltung. Im Feld schaut man dann, was passiert. Das ist spannend“, sagt sie.
Kathrin Buhmann (Jahrgang 1989) studierte nach dem Abitur Umweltwissenschaften in Leeuwarden (NL). Während des Studiums begegnete ihr die Landwirtschaft immer wieder als Problem für den Naturschutz.

„Das kam mir falsch vor. Musste das wirklich so sein?“, fragte sie sich. Um Antworten zu finden, setzte sie sich immer mehr mit nachhaltiger und ökologischer Landwirtschaft auseinander. Schließlich brachte sie die Suche nach einem Praktikumsplatz für ihre Bachelorarbeit zum Dottenfelderhof in Bad Vilbel. Dort kam sie in der Abteilung Forschung und Züchtung erstmals mit der biologischen Getreidezüchtung in Berührung. Ein Thema, das sie seitdem nicht mehr loslassen sollte.

Porträt Kathrin Buhmann

Der Weg zur Züchtung

Begleitet von Hartmut Spieß, dem langjährigen Leiter der Abteilung, verglich sie 2014 in ihrer Bachelorarbeit Winterweizensorten und -Zuchtstämme aus bio-dynamischer Züchtung mit jenen aus konventioneller Züchtung. Es bestätigte sich, dass die Sorten aus der Bio-Züchtung zwar weniger Ertrag hatten, aber dafür bessere Qualitäten und Backeigenschaften. Das motivierte sie zum Weitermachen.

Die neuen Sorten sollten für den Anbau interessanter werden. Es folgte 2017 der Master in Crop Sciences mit Schwerpunkt Pflanzenzüchtung und Saatgutkunde an der Uni Hohenheim. Im Anschluss begann sie als Züchterin in der Forschung und Züchtung Dottenfelderhof (FZD). Seit Januar 2020 ist sie dort zudem mit Carl Vollenweider für den Bereich Forschung und Züchtung geschäftsführend tätig.

Winterweizenpopulation BRANDEX

Gerste – Herausforderung Flugbrand

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Züchtung von Wintergerste mit Resistenzen gegen Flugbrand und Streifenkrankheit. Beides sind saatgutbürtige Pilzkrankheiten, die das Korn während der Vermehrung befallen. Da konventionelles Saatgut durch die Beize geschützt ist, sind diese Pilzkrankheiten vor allem eine Herausforderung für den ökologischen Landbau, insbesondere die ökologische Saatgutvermehrung. Der Befall wird erst bei der Kultur im Folgejahr sichtbar und macht die Ernte quasi unbrauchbar.

Buhmann stieg zunächst in die Selektionsarbeit mit Hartmut Spieß ein. Aus der langjährigen Arbeit der FZD gingen 2019 zwei Sortenanmeldungen zur Prüfung hervor, 2020 eine weitere. Bisher haben diese Sorten noch keinerlei Anzeichen für Flugbrand gezeigt. „Es wäre sehr schön, wenn sie wirklich resistent wären“, hofft Buhmann. „Allerdings liegt die Hürde bei der Saatgutvermehrung sehr hoch“, ergänzt sie. „Nur fünf befallene Ähren auf 150 m² Vermehrungsfläche führen zur Aberkennung als Saatgut“.

Wintergerste Lioba

Nachbaufähiger Mais ist Mangelware

Ein zweites wichtiges Projekt für Buhmann ist der Körnermais. Der Bedarf nach neuen Sorten aus biologischer Züchtung ist hier besonders groß, da in Europa in diesem Bereich aktuell fast ausschließlich Hybridsorten aus konventioneller Züchtung verfügbar sind. Als zukünftige Alternative gelten offen-abblühende Populationen.

Sie können sich durch ihre Diversität besser an ihren Standort und die klimatischen Bedingungen anpassen. Angesichts der sich rasch ändernden Anbaubedingungen durch den Klimawandel wird diese Anpassungsfähigkeit zunehmend interessanter.

Kolbenselektion einer Züchtungspopulation

Maispopulationen als Alternative zu Hybriden

Bereits 2013 hat der Dottenfelderhof die Maispopulation Sankt Michaelis als Erhaltungssorte angemeldet. Ausgehend von diesen Erfahrungen züchtete man weiter mit dem Ziel, frühzeitigere Sorten zu entwickeln, ohne dabei Ertragspotenzial einzubüßen. 2016 schließlich wurden zwei der hier entstandenen Maispopulationen vom Bundessortenamt zugelassen: Almito Population und Bogdan Population.

Möglich machte dies erst das EU-Experiment zum Inverkehrbringen heterogener Populationen. Erfreulicherweise ist eine vermehrte Nachfrage von Landwirten nach Maispopulationen zu spüren. Die nächste Herausforderung ist es nun, ausreichend Isolationsflächen und Vermehrer zu finden, um genügend Saatgut für die kommende Aussaat zur Verfügung stellen zu können.

Ein Maiskolben aus der Erhaltungssorte Sankt Michaelis

Vielversprechende Entwicklung

Um die Züchtung von Maispopulationen weiter zu verbessern, arbeitet Kathrin Buhmann mit Carl Vollenweider seit 2017 im BÖLN-Projekt „ZuchtMetPopMais“. Hier geht es um Zuchtmethoden, Leistungs- und Adaptionsfähigkeit von Maispopulationen und die Erstellung einer diversen Ausgangspopulation für Wissenschaft, Züchtung und Praxis. Inzwischen – Stand Herbst 2020 – liegen die Ergebnisse der Leistungsprüfungen dreier Jahre vor. Neun Maispopulationen und drei Hybridsorten wurden parallel

an fünf konventionellen und drei ökologischen Standorten angebaut. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Hinsichtlich der Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen zeigten sich die Populationen gleichwertig. Die Erträge der Populationen lagen bei durchschnittlich 70-80 % im Vergleich zu den Hybriden. An manchen Orten übertrafen sie sie sogar. Klar, dass Buhmann hier weiter züchten will, um die Populationen noch attraktiver zu machen. Das Projekt wurde bis 2022 verlängert.

Schriftzug Dottenfelderhof in Stein gehauen
Das Signet des Dottenfelderhofs

Wissenstransfer und Austausch

Zur Forschung an den Populationen für Futtermais könnte sich bald ein Projekt für Speisemais gesellen. Dabei geht es darum, zusammen mit Herstellern von Maisprodukten wie Polenta oder Tortillas Anforderungen von Speisemais zu erarbeiten und auch hier Alternativen zu Hybriden zu finden. Eine schöne Herausforderung! Seitdem Buhmann Anfang des Jahres zusammen mit Carl Vollenweider die Geschäftsführung übernommen hat, ist gutes Zeitmanagement gefragt. Neben den eigenen Züchtungsprojekten wollen jede Menge übergeordnete Aufgaben erledigt werden. Vor allem das Schreiben von Forschungsanträgen kostet viel Zeit, ist aber natürlich die Grundlage für die zukünftige Züchtungsarbeit.

Darüberhinaus wollen die vielfältigen Kooperationen mit anderen Institutionen wie Landesbetrieben, Universitäten und Forschungseinrichtungen gepflegt werden. Neben all diesen Aufgaben gibt Kathrin Buhmann sehr gerne ihr Wissen weiter. Zum Beispiel in Lehrveranstaltungen an der Landbauschule oder, wie im Frühjahr 2020, im Rahmen der Veranstaltung „Die neue Generation – Wer züchtet die Sorten von morgen?“ Diese hatte die Zukunftsstiftung Landwirtschaft organisiert. Dabei spielen immer die beiden Pole eine Rolle: die Theorie auf der einen und die Überraschungen, die die Natur für die Züchter*innen bereithält, auf der anderen Seite.

Kathrin Buhmann erläuter die Maiszüchtung
Kathrin Buhmann erläutert das Vorgehen bei der Maiszüchtung

Text: Justine Lipke
Fotos: 1, 3-6) F&Z Dottenfelderhof; 2, 7, 8) Justine Lipke