Züchterporträt Eva Zand
Roh, gedünstet, gebraten, Grundzutat und gleichzeitig Würzung. Sie ist sehr nahrhaft, vielseitig einsetzbar und darf in kaum einem Gericht fehlen. Die Rede ist von der Zwiebel (Allium cepa). Auch wenn Verbraucher:innen im Geschäft selten die Wahl haben – von der Küchenzwiebel gibt es viele verschiedene Sorten. Wie bei vielen anderen Kulturen dominieren im Anbau heute Hybridsorten. Eva Zand (Jg. 1991), Pflanzenzüchterin bei der Sativa Rheinau AG, beschäftigt sich dagegen seit Jahren intensiv mit der Entwicklung von neuen, samenfesten Bio-Sorten.
„Ich schätze an der Zwiebel ihre Lagerfähigkeit und die alltägliche und multifunktionale Verwendung“, erzählt sie. Elf Zwiebelsorten hat die Sativa derzeit im Saatgutsortiment. Neben Sorten in der Erhaltungszüchtung sind auch zwei Neuzüchtungen darunter. Diese hat Friedemann Ebner, langjähriger Züchter bei der Sativa, bearbeitet. Seit seinem Weggang 2020 führt Zand einen Teil seiner Projekte fort.
Der Weg zur Züchtung
Aufgewachsen ist sie auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im nördlichen Weinviertel in Österreich, einer typischen Ackerbaugegend. „Meine Mutter ist die Betriebsführerin. Das hat mich geprägt. Mit den Arbeiten auf dem Betrieb sind durchaus schöne Erfahrungen verbunden“, erzählt sie. Nach dem Besuch einer höheren Schule für Land- und Ernährungswirtschaft lernte sie neben Kochen und Ernährungslehre auch Gartenbau. Studiert hat sie Agrarwissenschaften an der BOKU, Universität für Bodenkultur, in Wien. In dieser Zeit absolvierte sie u.a. ein Praktikum bei ReinSaat, einer Züchtungsinitiative von Bio-Züchter:innen in Österreich.
Während des Studiums galt ihr Interesse zunächst der Mais- und Getreidezüchtung. In ihrer Masterarbeit schrieb sie über die Stärkeeigenschaften einer speziellen Weizen-Art. Erst später entdeckte sie das Gemüse für sich als Forschungsgegenstand. „Beim Gemüse ist mehr Diversität erlaubt und es spielen viele verschiedene Eigenschaften eine Rolle in der Züchtung. Dabei gibt es mehr Spielraum, das macht es für mich interessanter“, findet Zand.
Züchtungsziele bei der Zwiebel
Angefangen hat sie bei der Sativa 2018 als Assistentin in der Züchtung. „Ich habe immer dort geholfen, wo es gerade viel zu tun gab. Ob Zuckermais-Bestäubung, Fenchel pflanzen, Bohnen anleiten, alles. Das war ein guter Einstieg“, schaut sie zurück. Heute ist sie fester Bestandteil des Züchtungsteams und betreut eigene Projekte, u.a. die Zwiebel. Ziel der Zwiebelzüchtung ist es, die vorhandene Sorte Rijnsburger Auslese (Sat25) in ihren Eigenschaften weiter zu verbessern. Die Sorte funktioniert bereits gut im Anbau, v.a. punktet sie mit einer starken Jugendentwicklung, was positiv für ihre Vitalität und die Unkrautbekämpfung ist. Andere wichtige Eigenschaften sind: Sie ist gelb, rund und gut lagerfähig.
„Gelb ist das Hauptsegment bei Zwiebeln, rund muss sie sein, damit sie gut maschinell sortiert werden kann und lagerfähig, weil das die Grundvoraussetzung für den Anbau ist“, erläutert Zand. Der Löwenanteil der angebauten Zwiebeln wird über viele Monate eingelagert. Spezialisierte Betriebe haben die Möglichkeit, das Erntegut zu kühlen, aber längst nicht alle. „Wir wollen auch eine Sorte für das Naturlager oder ohne Kühlung anbieten können“, ergänzt die Züchterin. Der Geschmack spielt tatsächlich eine nachgelagerte Rolle, zuerst müssen die agronomischen Merkmale für den Anbaubetrieb stimmen.
Potenzial und Limits von Populationen
Verbesserungspotenzial sieht Zand v.a. in der Homogenität der Zwiebel. Es darf möglichst wenig Unter- und Obergrößen geben und es wird eine gewisse Mehltautoleranz erwartet. Die große Herausforderung ist, dass Zwiebelsorten Populationssorten sind. D.h. für die Saatgutgewinnung lässt man mindestens 100–150 Zwiebeln miteinander abblühen. Zwiebeln sind Fremdbefruchter, die Blüten der Population werden durch Bestäuber unsystematisch miteinander gekreuzt. Die genetische Breite von Populationen ist wichtig und gewollt, damit eine Schwächung durch Inzucht vermieden werden kann. Gleichzeitig macht es die Pflanzen in der Regel toleranter gegen Krankheiten etc.
Im Umkehrschluss kann man die Eigenschaften einer Populationssorte nicht einfach durch eine oder zwei gezielte Kreuzungen beeinflussen. Die Veränderungen können nur langsam erfolgen, über viele Generationen hinweg, durch die Auswahl der Zwiebeln, die miteinander abblühen dürfen. Über mehrere Zyklen praktiziert, erhält man eine gewisse Stabilität in den Eigenschaften und die Sorte ihren Wiedererkennungswert. „Hier und da machen wir auch Tests mit einer genetischen Verengung und versuchen mit einer geringeren Auswahl an Zwiebeln mehr Homogenität zu entwickeln. Schnell passiert es dann aber, dass wir gleichzeitig an Vitalität und Wüchsigkeit einbüßen. Das ist eine heikle Gratwanderung“, erläutert Zand.
Im Zweijahreszyklus denken
Ausgesät werden die Zwiebeln im März bis Anfang April. Anfangs kontrolliert die Züchterin die Wüchsigkeit der zarten Halme. Bis August bildet sich die Zwiebel aus. In den Wochen vor der Ernte stehen dann mehrere Besuche pro Woche auf dem Acker an. Dann wird kontrolliert, wie es um die Gesundheit der Pflanzen steht, wann die Reife erreicht ist und ob sie gleichmäßig erfolgt. Weil Temperaturen und Tageslänge nicht mehr ausreichen, um noch im selben Jahr Samen zu bilden, werden die Zwiebeln dann ausgegraben und für den Winter bei normaler Außentemperatur eingelagert. Vor der Lagerung wird selektiert und gewogen. Wie viel marktfähige Zwiebeln konnten geerntet werden?
Sind sie gesund? Haben Sie das richtige, marktfähige Gewicht? Im Februar des nächsten Jahres steht dann ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt an. Der Lagerbestand wird kräftig aussortiert: Nur die Zwiebeln, die die Lagerung gut überstanden haben, werden in einen Folientunnel gepflanzt und kommen dort circa im Juni zur Blüte. „Die Blüte begeistert mich jedes Jahr aufs Neue. Aus einer schrumpeligen Zwiebel bildet sich eine wunderschöne Blüte“, schwärmt Zand. Im August des zweiten Jahres werden dann die Samen für die Aussaat im nächsten Frühjahr gewonnen. Damit beginnt ein weiterer Zweijahreszyklus, der die Züchterin einer neuen Bio-Sorte mit optimierten Eigenschaften näherbringt.
Fotos: bioverita