Ich züchte Sorten für die Zukunft

Züchterporträt Christhild Brauch

„Gemüse hat mich schon früh fasziniert“, erzählt Christhild Brauch und schaut zurück auf ihren Werdegang. Heute ist sie Gemüsezüchterin auf dem hessischen Mönchhof und Teil des Züchter:innennetzwerks Kultursaat e.V. In die gärtnerische Arbeit ist sie wortwörtlich hineingewachsen auf dem von ihren Eltern bewirtschafteten Betrieb. „Hier waren wir Geschwister schon früh involviert. Deshalb war es naheliegend für mich, nach dem Abitur eine Gärtnerlehre zu machen“, berichtet Brauch. Während der Ausbildung auf dem Weilerhof in Großostheim, einem zu der Zeit alteingesessenen Demeterbetrieb, lernte sie neben dem Erwerbsgemüsebau die Saatgutgewinnung kennen.

Weitere Stationen führten sie in biodynamische Vermehrungs- und Züchtungsbetriebe in Deutschland, Holland, Frankreich und der Schweiz. Hier konnte sie nicht nur die praktischen Kenntnisse im Anbau vertiefen, sondern auch die Züchtung kennenlernen. Das Landwirtschaftliche Studienjahr am Dottenfelderhof legte Grundlagen in Anthroposophie und goetheanistischer Pflanzenkunde. Aufenthalte an der FH Weihenstephan und der Uni Hannover eröffneten schließlich den Zugang zu Botanik, Pflanzenbiologie und Genetik. Seit 2014 verfolgt Brauch eigene Züchtungsprojekte und beschäftigt sich mit einem ganzen Strauß an Gemüsekulturen.

Porträt Christhild Brauch

Erhaltungszuchtbank von Kultursaat

Ausgangspunkte der Züchtungsarbeit können je nach Kulturart unterschiedlich sein: Sorten aus der sogenannten Erhaltungszuchtbank von Kultursaat, andere geeignete alte Sorten oder auch neuere Sorten aus dem Saatguthandel. Kultursaat kümmert sich seit seiner Gründung um den Erhalt alter samenfester Sorten, um ihre genetische Grundlage zu bewahren. Das ist notwendig, da seit Jahrzehnten samenfeste, also nachbaufähige, Sorten vieler Gemüsearten im Anbau verschwinden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das Angebot für die Verbraucher:innen, sondern auch auf die künftige Sortenentwicklung.

Schließlich basiert jede Neuzüchtung auf einer oder mehreren bereits vorhandenen Sorten. Um die Auswahl für die Sortensammlung zu treffen, haben Züchter:innen von Kultursaat über Jahre viele verschiedene Sorten im Anbau gesichtet und ihre Beobachtungen dokumentiert. Für das Archiv ausgewählt wurden die Sorten, die das Potenzial für eine Weiterentwicklung haben, damit sie auf die heutigen Anbaubedingungen passen.

Christhild Brauch mit Jungpflanzen vor der Pflanzung

Ziele der Fenchelzüchtung

Eine davon ist eine ältere italienische Fenchelsorte, die Brauch mit dem Ziel bearbeitet, „dass sie auch bei sommerlicher Hitze und Trockenheit eine schöne Knolle macht, zart bleibt und nicht zu früh in Blüte geht. „Samenfeste Sommersorten für den Erwerbsanbau sind praktisch nicht mehr verfügbar“, erklärt Brauch. „Darum gehört der Fenchel bei Kultursaat zu den Kulturarten, auf die wir ein besonderes Augenmerk legen.“ Dazu selektiert sie über mehrere Generationen die Pflanzen aus dem Bestand, die die erforderlichen Merkmale aufweisen.

Brauch ist es wichtig, dass ihre Sorten später nützlich für den Menschen sind. „Fenchel ist eine schöne Kultur, die ganz viel Freude macht. Aber es ist schwer, qualitativ hochwertiges Saatgut zu gewinnen“, konstatiert die Züchterin nach vier Jahren Züchtungsarbeit. Eine Pilzkrankheit, Anthraknose, und das vermehrte Aufkommen von Wanzen, die die Pflanze aussaugen, machen die Saatgutgewinnung sehr herausfordernd.

Junge Fenchelpflanzen

Zwei Typen Gurken

Deutlich weiter im Züchtungsprozess sind zwei Gurkenprojekte. Brauch arbeitet an einer Schlangengurke und einer Vespergurke mit kurzer Frucht. Neben der Fruchtqualität ist bei Gurken das wesentliche Züchtungsziel eine hohe Widerstandsfähig gegen den Falschen Mehltau. Dies ist eine verbreitete Pilzerkrankung, die die Blätter befällt und die Pflanze nach und nach eingehen lässt. Gefragt sind neue Gurkensorten, die länger gesund bleiben als die derzeit etablierten. „Die Gurkenprojekte sind besonders zeitintensiv, da ich die Kreuzungen per Hand durchführe. In einem Bestand von 400 Pflanzen muss ich die Blüten suchen und zuklammern, damit es keine Fremdbestäubung gibt. Dann suche ich die Kreuzungspartner heraus, die ebenfalls geklammert werden müssen und führe am nächsten Morgen die Kreuzungen“, schildert die Züchterin.

Nebenbei erfasst Brauch den Ertrag der Pflanzen und die Qualität der Früchte. Die Schlangengurke soll eine feine, glatthäutige Schale haben, dabei schmackhaft und gesund sein. Gedacht ist die Sorte für den extensiven Anbau im Freiland, also auf dem Boden wachsend. Das ist attraktiv für kleine Betriebe wie Solidarische Landwirtschaften (Solawis) oder Market Garden-Initiativen, die immer populärer werden. Sie haben weniger Gewächshausfläche und nehmen dafür die aufwändigere Ernte in Kauf. Das Beispiel zeigt, dass die Züchtung neuer Sorten neben Gesundheit, Geschmack und Ertrag immer auch die Anforderungen verschiedener Anbau- und Vermarktungsbedingungen berücksichtigen muss.

Gurkenbestäubung und Isolierung der Blüten per Hand

Aktiv in der Grundlagenforschung

Parallel zu ihren eigenen Züchtungsprojekten ist Brauch an der Grundlagenforschung von Kultursaat e.V. beteiligt. Zusammen mit Züchterkolleg:innen hat sie über viele Jahre hinweg alternative Methoden zur Beeinflussung der Pflanzenqualität entwickelt. „Dabei geht es um eine intensive Zuwendung zur Pflanze in Form von Meditation, Eurythmie oder Klang. Diese Anwendungen können Aussehen und Qualität der Pflanzen nachhaltig beeinflussen, auch wenn das für Außenstehende schwer vorstellbar ist“, berichtet Brauch aus langjähriger Erfahrung. Um die Effekte der verschiedenen Behandlungen vergleichen zu können, wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes 2021-23 erstmals alle Methoden an einer einjährigen und einer zweijährigen Kultur (Spinat und Möhren) parallel angewendet.

Nach der Aussaat an verschiedenen Standorten wurden die Pflanzen detailliert beschrieben, um die Effekte der verschiedenen Methoden nebeneinander zu sehen. „Dazu gehörte eine sehr aufwändige Datenerhebung als Grundlage für eine statistische Auswertung“, erläutert Brauch. Die finalen Ergebnisse stehen noch aus, aber die Züchterin ist sich sicher, dass die alternative Behandlung des Saatguts sich positiv auswirken kann auf die Pflanzengesundheit und die Resistenz gegen Schädlinge. Den sehnsüchtig erwarteten neuen Sorten kommt das auf jeden Fall zugute, ist sie überzeugt.

Freilandgurken-Züchtung

Fotos: bioverita