Saatgut ist Kulturgut – nicht Privateigentum!

Züchterporträt Arne von Schulz

Arne von Schulz, Jg. 1962, setzt sich seit Jahrzehnten für die biodynamische Züchtung ein. Auf dem Acker und im Gewächshaus, als Saatgutvermehrer, Gemüsegärtner und Züchter, aber auch im Vorstand des größten Züchtungsnetzwerks Kultursaat e.V. sowie im Vorstand von bioverita. Er wuchs die meiste Zeit in den Niederlanden auf, schon bald nach der Schule beschäftigte er sich mit biodynamischer Landwirtschaft.

Er war unter den ersten, die in Norddeutschland die neugegründete sogenannte Freie Ausbildung begannen, also die Ausbildung zum biodynamischen Landwirt. Nach einem Jahr wechselte er zunächst in die Ausbildung zum Heilerzieher und schloss diese ab. Später vervollständigte er die landwirtschaftliche Ausbildung konventionell in einem Demeter-Betrieb.

Porträt Arne von Schulz

Hofgemeinschaft

Nach der Ausbildung suchte er zusammen mit seiner Frau und zwei weiteren Paaren einen Hof zur gemeinsamen Bewirtschaftung. Der fand sich nach intensiver Suche 1991 in Form der Domäne Fredeburg in Schleswig-Holstein, südlich von Lübeck. „Wir waren eine kleine eingeschworene Gemeinschaft, die mit viel Energie Neues aufbauen wollten; getragen von der Überzeugung, dass der respektvolle Umgang mit der Natur die Basis des biologisch-dynamischen Landbaus ist“, berichtet von Schulz. Seit Anfang an wird der Demeter-Hof als Gemischtbetrieb bewirtschaftet.

Auf heute ca. 165 ha werden Rinder, Schweine und Hühner gehalten sowie Getreide, Futter, Kartoffeln und Gemüse angebaut für die Direktvermarktung über den eigenen Hofladen sowie den Naturkostfachhandel. Nach der Hofübernahme brachte sich von Schultz „learning by doing“ den professionellen Anbau von Gemüse bei. Anfangs stand dafür ein Hektar zur Verfügung, mittlerweile sind es fast fünf. Was der gelernte Landwirt anfangs mit viel Pioniergeist alleine begann, wird inzwischen von einem mehrköpfigen Anbauteam realisiert, das den Gemüseanbau plant und umsetzt.

Eindruck von der Domäne Fredeburg

Selektion von Hofsorten

Von Schulz konzentriert sich heute auf Erhaltungszüchtung, Saatgutvermehrung und eigene Züchtungsprojekte. Manches ist dabei primär für den Hof interessant, wie die Möhrensorte, die er über viele Generationen durch Selektion gezielt an die Standortbedingungen auf der Domäne angepasst hat. Oder die besonders schöne Möhre, die außen orange ist, aber ein auffällig sonnig-gelbes Herz hat, das er durch Selektion in Zukunft stärken will. Einige Erhaltungszüchtungen erfolgen im Auftrag der Bingenheimer Saatgut AG, wie Rettich und Zuckerhut beispielsweise.

„Wenn man das selbst gewonnene Saatgut in den Händen hält, das man angebaut, geerntet, getrocknet und gereinigt hat, ist das etwas Kostbares“, schwärmt der Züchter. Auch die Erhaltungszüchtung von spannenden Sorten, die keinen großen Markt haben, nimmt Raum ein und ist eine Herzensangelegenheit: „Wenn sie niemand mehr vermehrt, sind sie irgendwann weg. Es ist eine wichtige Aufgabe dafür zu sorgen, dass genetische Ressourcen nicht einfach verschwinden.“

Möhre mit sonnig-gelbem Herz

Neuzüchtungen

Bei den Neuzüchtungen liegt ein Schwerpunkt auf Rosenkohl, einer Kultur, die im Anbau schon früh von Hybridsorten dominiert war, und für die es inzwischen kaum mehr anbauwürdige samenfeste Sorten gibt. Der Züchter arbeitet an einer neuen samenfesten Sorte für den Erwerbsanbau, die feste, gleichmäßige Röschen bildet, dabei aber in der Pflege weniger aufwändig ist als die alten Sorten. Noch wird es allerdings einige Jahre bis zur Marktreife dauern, sagt von Schulz. Außerdem arbeitet er an Wirsing. Zwei neue Sorten hat er bereits über Kultursaat angemeldet: „Smaragd“ (2009) und „Dunkelgrüner Putjes“ (2021).

Mindestens eine weitere Sorte ist sehr vielversprechend, freut er sich: „Ein Winterwirsing, der schneller wächst als die alte Sorte Winterfürst, mit sehr guter Haltbarkeit. Eine Sorte, die richtig lange gesund bleibt und winterfest ist.“ Für die Züchtung baut er im Jahr bis zu 2.000 Wirsingpflanzen an. Daraus selektiert er die Exemplare, die die gewünschten Eigenschaften am stärksten zeigen. Von ihnen werden im zweiten Jahr nach der Blüte die Samen zur Wiederaussaat geerntet. Der Rest der Kohlköpfe geht in die Vermarktung.

Wirsing Dunkelgrüner Putjes

Der Weg zur Züchtung

Wie er vom Gemüseanbau zur Züchtung kam? Der gelernte Landwirt blickt zurück: „Anfang der 1990er-Jahre begannen die konventionellen Firmen zunehmend Hybridsorten anzubieten. Es wurde klar, dass da eine Abhängigkeit entsteht. Deshalb war unser erstes Anliegen, eigenes biologisches Saatgut zu produzieren“, berichtet von Schulz.

Es bildete sich Ende der 1980er- Jahre ein „Initiativkreis für biologisch-dynamisches Saatgut“, wo zunächst das Wissen zur Saatgutvermehrung ausgetauscht wurde. „Uns wurde aber schnell bewusst, dass wir auch eigene Sorten brauchen. Deshalb begannen viele von uns mit Züchtung und Selektion.“ 1993 unternahm der Gemüsegärtner erste eigene Züchtungsversuche mit Wirsing und Kürbis auf der Domäne.

Saatguthülsen mit Samen

Kultursaat entsteht

Aus den Initiativkreistreffen entstand 1994 der Verein Kultursaat e.V. Am Anfang stand eine intensive Auseinandersetzung mit der Züchtung, mit Züchtungsmethoden, aber vor allem mit der Pflanze: „Das war eine sehr intensive Zeit“, blickt von Schulz zurück. Inzwischen bildet der Verein eine Gemeinschaft von über 30 Züchter:innen in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland.

Seit 2011 ist der Züchter hier als einer der fünf Vorstände aktiv. In dieser Rolle erledigt er viel Organisatorisches, arbeitet an Grundsatzpapieren und Abläufen und vermittelt bei Konflikten in der Gruppe. „Immer da, wo Menschen sehr eng zusammenarbeiten, gilt es, das Soziale zu pflegen und auch mal durch schwierige Situationen hindurchzugehen. Insgesamt eine sehr spannende Arbeit“, findet der Züchter auch nach zwölf Jahren noch.

Kultursaat e.V. Logo

Enge Verbindung von bioverita und Kultursaat

Viele der Gemüsesorten, die von Kultursaat e.V. gezüchtet wurden, sind von bioverita zertifiziert. Da es einen engen Austausch zwischen den Vereinen gibt, ist Kultursaat e.V. Mitglied bei bioverita und von Schulz vertritt die Züchtervereinigung im Vorstand von bioverita. „Da Kultursaat die meisten Züchter:innen vertritt, ist es uns wichtig, bioverita mitzugestalten“, erklärt von Schulz. Er betont, dass das Reglement und die erlaubten Züchtungsmethoden bei beiden Vereinigungen weitgehend identisch sind, z.B. sind Hybridzüchtungen grundsätzlich ausgeschlossen.

Außerdem besteht das gemeinsame Verständnis, dass Kulturpflanzen und ihr Saatgut Kulturgut sind, und damit niemandem „gehören“. Sie sollten allen zur Verfügung stehen und dürfen nicht durch Patente privatisiert werden. „Schließlich wird eine Sorte ja nicht komplett neu entwickelt vom Züchter. Die Ausgangssorten haben schon vorher bestanden und sind eine Leistung von vielen Generationen vor uns“, erklärt von Schulz.

Claim „Sorten sind Kulturgut“

Die Rolle von bioverita

Die Kooperation mit bioverita findet der Züchter auch deshalb wichtig, weil der biologischen Züchtung dadurch „ein Gesicht“ im Handel gegeben wird. „Durch Kommunikation, durch Kennzeichnung der Ware und durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Marktpartnern werden die Bio-Züchtung und die neuen Sorten bekannter“, resümiert er.

Und das ist die Voraussetzung dafür, dass die biologische, bzw. die biodynamische Züchtung insgesamt wachsen kann und mehr zukunftsfähige Sorten entstehen.

Möhren bei Bodan
Möhren mit bioverita-Kennzeichnung

Fotonachweis: Foto 1+6 Kultursaat e.V., Foto 4 Bingenheimer Saatgut AG, Foto 8 Bodan Großhandel für Naturkost GmbH, Rest bioverita