Gärtnerei Piluweri

Zu Besuch beim Tag des Offenen Zuchtgartens

Gemüseanbau im großen Stil, Jungpflanzenproduktion, Züchtung und Saatgutvermehrung – das liegt selten in einer Hand. Bei der Demeter-Gärtnerei Piluweri in Müllheim nahe Freiburg bilden die verschiedenen Bereiche ein organisches Miteinander und bereichern sich gegenseitig.

Bei einem Tag des Offenen Zuchtgartens Mitte Juni 2021 durfte sich eine Besuchergruppe vor Ort ein Bild von den vielfältigen Aktivitäten der Gärtnerei machen. bioverita war mit dabei. Organisiert wurde der Tag anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Saatgutfonds, der mit der Züchterinitiative Kultursaat e.V. und auch mit Piluweri zusammenarbeitet.

Piluweri Lieferwagen
Lieferwagen von Piluweri

Piluweri bringt`s

Am Morgen eines heißen Sommertages werden wir mit kalten Getränken, bunten Rohkosttellern und Laugenbrezeln unter schattigen Bäumen empfangen. Schon hier dürfen wir die ersten Sorten aus Bio-Züchtung kosten: Tomate Tica, Möhre Milan und Gurke Arola. Begrüßt werden wir von Annette Tillmanns, Horst Ritter und Richard Specht, die uns zunächst über die Geschichte des Unternehmens erzählen. Den Betrieb gibt es seit 1995, gegründet wurde er von den überzeugten Demeter-Gärtnern Michael Pickel, Matthias Ludwig, Horst Ritter und Richard Specht. „Was uns eint und antreibt ist die Überzeugung, biodynamisch arbeiten zu wollen“, erzählen die beiden anwesenden Gründer.

Seit dem Start ist die Gärtnerei unheimlich gewachsen. „Das hätten wir uns zu Beginn nicht träumen lassen“, lacht Horst Ritter, der sich heute vor allem um die Verwaltung des Betriebs kümmert. Die Nachfrage nach regionalem Biogemüse in hoher Qualität ist Jahr für Jahr gestiegen. Aus den zehn Mitarbeitenden vom Anfang sind inzwischen 70 geworden. Sie bewirtschaften 40 Hektar im Freiland und etwa 10.000 qm in Gewächshäusern und kultivieren ganzjährig eine breite Palette an Gemüse und Kräutern für die Vermarktung über den Lieferservice „Piluweri bringt`s“, den eigenen Hofverkauf sowie den Naturkost(groß)handel.

Buffet bei Piluweri
Büfett mit Sorten aus Bio-Züchtung

Engagement für ein reiches Bodenleben

„Seit Anfang an beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir das Bodenleben nachhaltig verbessern können und wir haben viel ausprobiert“, berichtet Ritter. Die Bodenbearbeitung ohne Pflug sowie die Herstellung von eigenem Kompost sind heute selbstverständlich auf dem Hof. Um den Kompost mit Dung aufzuwerten, gehören seit mehreren Jahren auch einige Rinder zum Betrieb.

Ein Mitarbeiter ist ausschließlich für die Herstellung und Verteilung des Komposts zuständig, das allein zeigt die hohe Bedeutung des Komposts. Wenn Specht später im Gewächshaus zwischen den langen, üppig behangenen Reihen mit Tomatenpflanzen steht und die spezielle Kleegras-Silage der Pflanzen erläutert, wird einem klar, wie viel Arbeit und Knowhow in die Pflege von Boden und Pflanzen fließt.

Richard Specht im Gewächshaus
Richard Specht im Tomaten-Gewächshaus

Mit der Vielfalt experimentieren

Bei einem herrlichen Mittagessen, zubereitet von beherzten Küchenfeen, dürfen wir eine Reihe der hofeigenen Gemüse probieren. Dabei erfahren wir, dass Piluweri die Jungpflanzen für den eigenen Bedarf selbst anzieht. „So sind wir unabhängig bei der Sortenwahl und können mit der Vielfalt experimentieren, statt nur das anzubauen, was im Katalog angeboten wird“, erklärt Specht.

Gerade der Anbau der eigenen Züchtungen wäre ohne eigene Anzucht nur schwer möglich, denn so können Zuchtlinien verfolgt werden, deren Vermarktung im großen Stil sich vielleicht nicht lohnt, die aber gut schmecken und die Basis für weitere Züchtung sein können. Ein Beispiel dafür, wie professioneller Anbau und Züchtung bei Piluweri Hand in Hand gehen.

Gurke Arola bei Piluweri
Gurke Arola bei Piluweri

Die Initialzündung

Specht erzählt, dass er 1998 am ersten Treffen des Netzwerks Kultursaat e.V. teilnahm. Inspiriert von den charismatischen Züchtungspionieren begannen er und seine Kollegen anschließend ohne Zögern selbst mit der züchterischen Arbeit. „Die Dringlichkeit war unheimlich hoch, da mussten wir doch was machen!“, erinnert er sich. Schon damals konnten Erwerbsgärtner:innen kaum auf Hybridsorten verzichten, heute sind bei vielen Kulturen fast ausnahmslos Hybride im Anbau und samenfeste Sorten stehen kaum noch zur Verfügung.

Motivation genug also, samenfeste Sorten, die sich im Biolandbau bewährt haben, zu erhalten und weiterzuentwickeln – für den eigenen Anbau und natürlich für andere Erwerbsgärtner:innen. „Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses der Gentechnik in der konventionellen Züchtung ist diese Arbeit noch dringlicher geworden“, betont Specht, Züchter und Leiter des Gewächshauses.

Tomaten in der Isolierung
Ein Gewächshaus voller Tomaten

bioverita-zertifizierte Sorten

Umso erfreulicher ist es, dass aus dem langjährigen Engagement von Piluweri und Kultursaat schon eine Reihe neuer Sorten hervorging: neben den Tomatensorten Pilu und Tica, die Salate Briweri, Piro und Zulu, der Porree Avano, die Möhre Nantaise 2/Milan, die Paprika Pantos sowie die Aubergine Zora –

allesamt bioverita-anerkannt. Sie sind beim Bundessortenamt angemeldet und für den Erwerbsanbau geeignet. Piluweri baut die meisten dieser Sorten jedes Jahr für den eigenen Verkauf an. Nichtsdestotrotz geht die Züchtung weiter, zum Beispiel für Cocktailtomaten, Rucola und Kräuter.

Tomate Tica bei Piluweri
Tomate Tica

Züchtung und professioneller Anbau – ein befruchtendes Nebeneinander

Eine neue Rucolasorte von Annette Tillmanns befindet sich in der Anmeldung beim Bundessortenamt. Während wir die Gewächshäuser mit den Salaten und Kräutern besichtigen, berichtet die Gärtnerin, die sich bei Kultursaat als Züchterin fortgebildet hat, dass das parallele Arbeiten von Züchtung und Anbau bei Piluweri sehr befruchtend ist:

„Täglich erleben wir im professionellen Anbau die Anforderungen an Beerntbarkeit, Pflanzengesundheit, Aussehen, Lagerfähigkeit, Geschmack etc.“, erklärt Tillmanns. Dieses Wissen fließt unmittelbar in die Züchtungsarbeit ein. Gleichzeitig können vielversprechende Linien aus der Züchtung für den Verkauf ausprobiert werden.

Annette Tillmanns mit Rucola
Annette Tillmanns zeigt uns den Rucola

Saatgutvermehrung

Inzwischen brennt die Sonne vom Himmel, nur die großen Schirme des Saatgutfonds spenden ein wenig Schatten bei unserem Rundgang über die Ackerflächen. Wir erfahren, dass Piluweri die Erhaltungszucht für mehrere der eigenen Sorten durchführt. Auf dem Feld sehen wir zum Beispiel die Samenkugeln vom Winterlauch Avano aus der Züchtung von Horst Ritter. Mitte Juni steht er kurz vor der Vollblüte, geerntet wird Anfang September.

2030 kg Lauchsaatgut sollen es werden. Nebenan stehen außerdem Calendula, Koriander und Kornblumen in der Vermehrung, ihre Samen sind für die Bingenheimer Saatgut AG und die Sativa Rheinau AG bestimmt. Ein Gewächshaus ist für die Vermehrung der Gurke Arola von Kultursaatzüchterin Christine Nagel reserviert.

Lauch Avano in der Vermehrung
Winterlauch Avano kurz vor der Blüte

Bio-Züchtung als Kommunikationsaufgabe

Ideell spielen die Züchtung und Saatgutgewinnung für den Betrieb eine große Rolle, finanziell lukrativ sind die Aktivitäten allerdings nicht, konstatieren Ritter und Specht. Zudem ist es eine Herausforderung, den Konsument:innen das Thema Bio-Züchtung nahe zu bringen und im Tagesgeschäft über den Mehrwert von Sorten aus Bio-Züchtung aufzuklären.

Dies passiert am ehesten über Hofführungen bei einem intensiveren Gespräch – wie an diesem Tag mit Unterstützung von bioverita. Mehrere der Teilnehmer:innen berichten anschließend, dass ihnen vorher nicht bewusst war, wie wichtig die Frage der Saatgutherkunft unserer Lebensmittel ist. Es gilt also noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten!

Horst Ritter
Horst Ritter

Umfassende biodynamische Arbeit

Für unsere Gastgeber gehören Züchtung und Saatgutgewinnung zur umfassenden biodynamischen Arbeit dazu. Seit Beginn ist den Gründern daran gelegen, ihre Überzeugung und ihr umfassendes Wissen kontinuierlich an die Mitarbeiter und Auszubildenden weiterzugeben.

Wenn sie nun einen Wunsch für die Zukunft haben, dann ist es der, dass junge motivierte Menschen, den Betrieb in einigen Jahren mit all seinen Facetten weiterführen.

Salatblüte
Salatblüte

Inspiriert durch die vielen Eindrücke, Informationen und Gaumenfreuden verabschieden wir uns nach einem reichen Tag von unseren Gastgebern. Ihre Vision tragen wir mit uns und erzählen ab jetzt jedem, wie lohnenswert ein Besuch bei Piluweri ist!
Wer sofort einen kleinen Ausflug zu Piluweri machen möchte, sollte sich dieses Video anschauen:

Fotos: bioverita