Die Jubiläumstagung von bioverita lockte am 12. November über 60 Teilnehmende und rund 10 Referent:innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich nach Rheinau. Die großzügige Mehrzweckhalle des Ortes bot ausreichend Platz für die so lange vermissten Begegnungen in Präsenz und ein abwechslungsreiches Vortrags- und Workshop-Programm, natürlich unter strengen Corona-Auflagen. Die Präsentationen der Tagung finden Sie hier.
Musikalische Einstimmung
Nach einer quirligen Ankommensphase überrascht Musikerin Anja Günther das Publikum mit einem sphärischen Intro auf ihrem Hang. Die Klänge schaffen die notwendige Aufmerksamkeit für die Begrüßungsworte von Markus Johann, geschäftsführendem Leiter von bioverita. Er übergibt das Wort bald an Fausta Borsani, die als Moderatorin durch den Tag führen wird.
Anschließend bringt ein halbstündiges Speed Dating die Teilnehmenden in Bewegung und angeregten Austausch. Dabei stehen sich Züchter:innen, Landwirt:innen, Vertreter:innen des Saatguthandels, des Großhandels sowie von Institutionen und der Presse in Zweierkonstellationen jeweils für 4 Minuten gegenüber, um einander in Kürze kennenzulernen. Die Basis für eine Vernetzung der Teilnehmenden ist gelegt!
Florianne Koechlin
Anschließend führt Florianne Koechlin, die viele von ihren zahlreichen Buchveröffentlichungen kennen, in ihr lebenslanges Forschungsgebiet ein: die Kommunikation von Pflanzen. Mit großer Leichtigkeit berichtet sie von Forschungsergebnissen aus der ganzen Welt, die unser übliches Bild von Pflanzen gründlich revidieren.
Pflanzen erkennen nachweislich ihre Feinde und informieren umliegende Pflanzen der eigenen oder anderer Familien über die Bedrohung. In manchen Fällen vermögen sie sogar Nützlinge gezielt anzulocken, damit diese die Schädlinge bekämpfen. Die Kommunikation geschieht über die Absonderung von Botenstoffen über das Blattwerk und/oder die Wurzeln.
Wie Pflanzen kommunizieren
Koechlin spricht von Duftstoff-Vokabeln, die die ‚Sprache‘ der Pflanzen bilden. Von immerhin 900 Pflanzenfamilien konnten bisher 2.000 dieser Vokabeln wissenschaftlich entschlüsselt werden. Dabei gibt es neben einem Grundvokabular, das sich alle Pflanzen teilen, eigene Vokabeln für jede Pflanzenart.
Diese aktive Reaktion auf Umweltbedingungen zählt zur sog. Epigenetik, also der Anpassung der Gene und ihrer Funktion, ohne dass die DNA verändert wird. Besondere Relevanz für die Pflanzenzüchtung hat dabei die Tatsache, dass ein Teil der epigenetischen Anpassung an nachfolgende Generationen vererbt wird.
Mathias Binswanger
Ökonom Mathias Binswanger öffnet in seinem Vortrag die Augen für die ernüchternden Rahmenbedingungen der Landwirtschaft, von ihm als die „landwirtschaftliche Tretmühle“ bezeichnet. Obwohl die Landwirtschaft für unsere Ernährung sorgt, und trotz hoher staatlicher Subventionen, erwirtschaften in der Schweiz Beschäftigte der Landwirtschaft durchschnittlich nur ein Zehntel der Wertschöpfung der Pharma- oder Bankwirtschaft.
Bei wachsender Produktivität in den letzten 20 Jahren und steigenden Verbraucherpreisen sind zudem die Produzentenpreise in den letzten 30 Jahren effektiv um 27 % gesunken. Dies liegt vor allem an der Struktur des Marktes: Ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wird von relativ wenigen verarbeitenden Betrieben gekauft, die wiederum an eine sehr kleine Anzahl von Handelsunternehmen verkaufen.
Direktvermarktung als Ausweg aus der Tretmühle
Dadurch ist jeder einzelne Betrieb in großer Abhängigkeit und hat nicht die Möglichkeit, die eigentlich notwendigen Preise zu erzielen. Dies kann nur bei der Direktvermarktung an die Konsument:innen gelingen. Dann können Qualitätsmerkmale der Erzeugnisse direkt kommuniziert werden und die Käuferschaft ist bereit, einen höheren Preis zu zahlen, allein aufgrund der Identifikation mit den Erzeuger:innen.
Allerdings werden in der Schweiz (in anderen europäischen Ländern vergleichbar) aktuell nur 5 % der Produktion direkt vermarktet. Gerade der Biolandwirtschaft rät Binswanger daher zu mehr Direktverkauf sowie zu Differenzierung und höherer Qualität. Die Vermarktung von Sorten aus Bio-Züchtung könnte dabei zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
Noémi Uehlinger
Noémi Uehlinger, Gemüsezüchterin bei der Sativa Rheinau AG, gibt den Zuhörer:innen einen Einblick in den aktuellen Stand der Bio-Züchtung. Nach wie vor arbeiten fast alle Bio-Züchter*innen mit sehr begrenztem Budget und recht einfacher Infrastruktur. Erfreulicherweise ist inzwischen eine Reihe von Bio-Sorten verfügbar, die der Leistung konventioneller F1-Sorten nahekommen. Diese Sorten werden, auch dank der von bioverita initiierten Handelskooperationen, immer häufiger angebaut. Trotzdem gibt es mehrere Gründe, die ihren Marktzugang erschweren: Dies beginnt bei der noch zu verbessernden technischen Saatgutqualität. Zudem ist das Gemüse oft weniger homogen und es gibt derzeit nur wenige Jungpflanzenbetriebe, die den Erwerbsgärtnereien Sorten aus Bio-Züchtung als Jungpflanzen anbieten.
Zudem fehlen für viele Arten bzw. Segmente noch gute Bio-Sorten, zum Beispiel für Brokkoli, Blumenkohl, Tomaten, Gurken, Paprika oder Salate. Uehlinger betont, dass in der Biolandwirtschaft nach wie vor hauptsächlich konventionell gezüchtetes Saatgut verwendet wird. Dadurch finanzieren die Biobetriebe faktisch die konventionelle Züchtung, anstatt die Bio-Züchtung voranzubringen. Allein für Bio-Möhren wird in Deutschland jährlich konventionelles Saatgut für etwa 500.000 € gekauft. Im Vergleich dazu fließen in diesem Jahr insgesamt etwa 600.000 € vom Saatgutfonds in die gesamte Bio-Gemüsezüchtung. Es bleibt also noch viel zu tun!
bioverita stellt sich vor
Zum Abschluss des Vormittags-Programms stellt Justine Lipke, Referentin für Kommunikation bei bioverita, die Ziele und Aktivitäten des gemeinnützigen Vereins vor. bioverita versteht sich als europaweite Plattform für alle biologischen Züchter:innen und die wichtigsten Akteure der Bio-Lebensmittelwirtschaft und arbeitet daran, diese bestmöglich miteinander zu vernetzen. Mithilfe von Handelskooperationen (derzeit mit 8 Großhändler:innen in Deutschland und der Schweiz), kommen seit mehreren Jahren Sorten aus Bio-Züchtung gezielt in den Anbau und die Vermarktung. Im Jahr 2021 waren es rund 40 verschiedene Sorten, von etwa 30 Erzeuger:innen angebaut. Zudem hat bioverita erste Kooperationen mit einem Jungpflanzenbetrieb und zwei Direktvermarktungsbetrieben.
Teil der Kooperationen ist jeweils eine Nutzungsvereinbarung, durch die das bioverita-Logo auf Verpackungen, Schildern, Rechnungen, Sortimentslisten etc. verwendet werden darf, um die Sorten aus Bio-Züchtung auf allen Stufen der Wertschöpfungskette mit dem Qualitätslabel zu kennzeichnen. Durch das Lancieren von Artikeln in Zeitschriften, durch Informationen auf der Website, Versenden eines Newsletters und regelmäßige Posts bei Facebook und Instagram macht bioverita das Thema Bio-Züchtung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Noch wissen allerdings noch viel zu wenige Menschen von dem Thema, weshalb Lipke alle Tagungs-Teilnehmer:innen zu Botschafter:innen für die Bio-Züchtung erklärt.
Zeit für Vernetzung
Das anschließende Bio-Mittagessen bietet viel Raum zum Austausch für die Anwesenden. Anschließend geht es für alle in einen der drei Workshop-Räume: in der Mehrzweckhalle, im neuen Sativa-Gebäude oder im sog. Atelier gegenüber.
Für viele Teilnehmer:innen bedeutet dies einen willkommenen Spaziergang durch das nebelige Rheinau, hinab durch die Weinberge, in die Unterstadt von Rheinau.
Antje Kölling, Demeter e.V.
In Workshop 1 schildert Antje Kölling, Abteilungsleiterin Politik und Öffentlichkeitsarbeit bei Demeter e.V., die Bedeutung der Bio-Züchtung aus Verbandsperspektive. Sie betont die Notwendigkeit, das Saatgut frei von Gentechnik zu halten und die Biolandwirtschaft unabhängig von Großkonzernen zu machen. Mit der europäischen Farm-to-Fork-Strategie, die bis 2030 25 % Biolandbau in der EU vorsieht, wird eine Vielzahl angepasster, robuster, leistungsstabiler Sorten benötigt.
Die Bio-Züchtung wird also umso wichtiger und muss entsprechend ausgebaut werden. Kölling schätzt den aktuellen Finanzierungsbedarf für die Bio-Züchtung auf etwa 40–50 Mio. € pro Jahr. Aktuell haben die Züchtungsaktivitäten in Deutschland aber nur 2–3 Mio. € zur Verfügung. Insgesamt brauche es in der Gesellschaft ein neues Bewusstsein für den Wert der Züchtungsarbeit, um eine weitere Erosion der genetischen Vielfalt, aber auch der Vielfalt der züchterisch tätigen Unternehmen zu verhindern.
Solidarisch erzeugte Lebensmittel
Eine strikte Vorgabe für die Demeter-Mitgliedsbetriebe, schon heute ausschließlich samenfestes Saatgut zu verwenden, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht realistisch. Zu hoch seien die Anforderungen des Marktes an Konformität und Kosteneffizienz. Gleichzeitig wäre die Saatgutverfügbarkeit in großem Stil derzeit nicht gegeben.
In der Diskussion wird die Bedeutung der solidarischen Landwirtschaft bei der Etablierung von Sorten aus Bio-Züchtung betont. Solawis sind offen für das Ausprobieren neuer Sorten. Sie sind unperfektem Gemüse gegenüber toleranter und stehen weniger unter Kostendruck als die Erwerbsgärtnereien mit Massenproduktion. Das Prinzip der solidarisch getragenen Erzeugung von Lebensmitteln sollte deutlich ausgeweitet werden.
Charlotte Aichholz, Sativa Rheinau AG
Im Mittelpunkt von Workshop 2 steht das partizipative Salat-Züchtungsprojekt #mitvereintenGärten der Sativa Rheinau AG, geleitet von Züchterin Charlotte Aichholz. Gerade der Bio-Landbau benötigt Salatsorten, die mit dem Mehltau, der wichtigsten Krankheit beim Salat, zurechtkommen. Während im konventionellen Landbau Fungizide zum Einsatz kommen,
ist der Bio-Landbau abhängig von Sorten, die von sich aus resistent bzw. tolerant gegenüber dem Mehltau sind. Der Erreger passt sich rasch an neu eingezüchtete Resistenzen an und zeigt auch geographisch eine große Variabilität. Daher setzt die biologische Züchtungsarbeit hier auf Toleranz statt auf Resistenz.
Zukunftsprojekt Partizipative Züchtung
Dies bedeutet, dass die Pflanzen bei bestimmten Umweltbedingungen leichten Befall zeigen, aber dennoch verkauft werden können. Mithilfe des Züchtungsprojekts #mitvereintenGärten, das seit 2019 läuft, werden dieses Jahr Bonituren von mehr als 60 Testlinien eingeholt. Sie werden an mehreren Hundert Standorten in neun Ländern, v.a. durch Hausgärtner, z.T. aber auch durch Erwerbsgärtner, angebaut.
Im Anbaujahr 2021 ist das Netzwerk auf ca. 1700 Standorte gewachsen, über 2.000 sollen es in Zukunft werden. Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, die Bio-Züchtung bekannter zu machen und die Konsument:innen am Züchtungsprozess aktiv zu beteiligen. Es ist also in vielerlei Hinsicht sinnvoll, diese Form der Züchtung in Zukunft auch auf andere Kulturen zu übertragen.
Benedikt Domeyer, Bio Partner
In Workshop 3 berichtet Benedikt Domeyer, Leiter Sortiment Frisch beim Schweizer Großhändler Bio Partner, über die Zusammenarbeit mit bioverita. Bio Partner bietet seit 2004 unter der Marke Vanadis Getreideprodukte in demeter-Qualität für den Schweizer Biofachhandel an. Das Sortiment umfasst insgesamt 120 Artikel, 11 davon basieren derzeit auf bioverita-zertifizierten Weizen- und Dinkelsorten.
Wichtiger Partner bei Beschaffung und Verarbeitung des Getreides ist die Steiner Mühle, die einzige reine Bio-Mühle in der Schweiz. Domeyer berichtet, dass es durchaus Potential für den Ausbau des Sortiments und die verarbeiteten Mengen gibt. Die Nachfrage nach den bioverita-zertifizierten Sorten liegt über dem durchschnittlichen Wachstum.
Ganzjährig Gemüse aus Bio-Züchtung
Das Thema Bio-Züchtung wurde bisher nicht aktiv an die Kundschaft kommuniziert. Das soll sich ändern. Im Herbst 2021 startete Bio Partner zusätzlich mit der Vermarktung von Gemüsesorten aus Bio-Züchtung. Ziel ist es, ganzjährig Sorten aus Bio-Züchtung anzubieten und regelmäßig in der Werbung auf die Bio-Züchtung einzugehen, u.a. mit kleinen Info-Filmen.
In der Diskussion mit den Teilnehmenden wird reflektiert, dass selbst Landwirt:innen häufig nicht über die Saatgutherkunft Bescheid wissen. Die Bioverbände sollten das Thema Bio-Züchtung auf ihre Agenda bringen und in ihren Richtlinien festschreiben. In der Schulung von Landwirten, z.B. im Rahmen des Umstellungskurses bei Demeter, könnte darüber aufgeklärt werden. Hier steckt großes Potential.
Niklaus Bolliger, Poma Culta
In Workshop 4 schildert der Schweizer Apfelzüchter Niklaus Bolliger die komplexe Entwicklung einer neuen Tafelobstsorte. Um für den Handel geeignet zu sein, muss eine neue Sorte nicht nur gut schmecken, sondern auch gut aussehen und eine gute Lagerfähigkeit aufweisen. Zudem sollte sie tolerant den wichtigsten Krankheiten gegenüber sein.
Der Weg dorthin ist mit etwa 20 Jahren noch langwieriger als für die durchschnittliche Züchtung einer neuen Gemüse- oder Getreidekultur. Allein fünf Jahre dauert es, bis ein Baum erste Früchte trägt. An den eigentlichen Züchtungsprozess mit gezielten Kreuzungen per Hand und einer aufwändigen Selektion schließt sich eine lange Phase des Testanbaus an verschiedenen Standorten sowie eine zweijährige, gesetzlich vorgeschriebene Virusprüfung an.
PoC_1399 hat das Potential für den Markt
Bolliger berichtet, dass er sich in einer besonders spannenden Phase des Züchtungsprozesses befindet. 2021 hat er 4.000 Unterlagen mit Edelreisern der vielversprechenden Zuchtlinie PoC_1399 veredelt mit dem Ziel, sie 2024 als neue Sorte anzumelden. Gleichzeitig ist er im Gespräch mit verschiedenen Handelspartnern,
die sich auf das Wagnis, einlassen wollen, eine neue Apfelsorte zur etablieren. Zur Freude der Teilnehmenden hat der Züchter fünf verschiedene Zuchtlinien zum Verkosten mitgebracht. Es ist frappierend, wie groß das Geschmacksspektrum der fünf Sorten ist – und wie unterschiedlich die Geschmäcker der Teilnehmenden sind.
Annika Woltjen, Bodan Großhandel für Naturkost GmbH
In Workshop 5 berichtet Annika Woltjen von Bodan Großhandel für Naturkost GmbH über die Kooperation mit bioverita für die Vermarktung von Gemüsesorten aus Bio-Züchtung. Im Jahr 2021 sind 17 verschiedene Sorten bei sechs Betrieben im Anbau. Das Unternehmen möchte mit der Kooperation Pionierarbeit für das Thema Bio-Züchtung leisten und gleichzeitig die Erwartungen der Verbraucher:innen an ein Bio von Anfang an erfüllen.
Laut Woltjen war es nicht schwer, die Partner:innen für den Anbau der Sorten aus Bio-Züchtung zu finden. Durch die langjährige Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der „Wir-Bauern“ (ein Zusammenschluss von 18 demeter-Bauern in der Bodensee-Region) konnte Bodan auf Erzeuger:innen setzen, die schon lange mit Überzeugung samenfeste Sorten anbauen und auch bereits Erfahrung mit bioverita-zertifizierten Sorten hatten.
Sorten aus Bio-Züchtung unter Preisdruck
Zu ihnen gehört Landwirt Benjamin Gosewinkel vom Helchenhof, der die Kooperation seinerseits sehr sinnvoll findet. Er bekräftigt allerdings, dass die Mehrkosten auch in Zukunft durch einen höheren Preis kompensiert werden müssten. Im Einzelhandel konkurrierten oft die etwas teureren Sorten aus Bio-Züchtung unmittelbar mit den konventionellen Hybridsorten.
Wenn nicht die Gründe für den Mehrpreis kommuniziert würden, fehle es an Akzeptanz. Diese vermittelt Bodan seinen Kund:innen erfolgreich mit stetiger Werbung und Verkostungen. Beim LEH fehle aber das Bewusstsein für die notwendige Förderung der Bio-Züchtung noch vollständig, bemängelt Gosewinkel.
Getreidezüchtung Peter Kunz
In Workshop 6 präsentieren Monika Baumann, Herbert Völkle, beide Geschäftsführer der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK), und Dinkelzüchterin Franca dell` Avo als Einstieg einen Kurzfilm https://youtu.be/PqhSkPFwJjs
Dieser beschreibt anschaulich den 15-jährigen Prozess für die Entwicklung einer neuen Getreidesorte und die vielfältigen Anforderungen bei der Sortenentwicklung.
Anschließend schildert dell` Avo anhand von Fotos ihr Vorgehen bei der Dinkelzüchtung. Neben den Anbaueigenschaften werden auch Verarbeitungsmerkmale wie z.B. die Backeigenschaften geprüft, über die Völkle im Anschluss informiert. Baumann betont, dass jedes zweite Bio-Weizenbrot in der Schweiz inzwischen mit Sorten der GZPK gebacken wurde. Aktuell zahlen allerdings die Landwirt:innen den Mehrpreis für das Saatgut, ohne die Mehrkosten weitergeben zu können.
Fehlende Finanzierung für die Bio-Züchtung
Obwohl inzwischen mehrere Sorten der GZPK, v.a. Weizen, in der Schweiz und in Süddeutschland erfolgreich etabliert sind, können die Saatgutverkäufe die Züchtung nur zu einem Anteil von 17 % finanzieren. Die restlichen 83 % müssen extern über Stiftungen, Spenden und Fonds einholt werden. Während der Verkostung des Gute-Leute-Brotes aus Triticale und Hartweizen, diskutieren die Teilnehmenden u.a., wie der Bio-Züchtung mehr Gehör verschafft werden kann.
Eine Idee ist es, den Anbau-Beratungsstellen in Norddeutschland, wo die Sorten aus Bio-Züchtung noch weniger eine Rolle spielen, eine Tour zu den Züchtungsbetrieben anzubieten, um die Sorten auch hier in den Anbau zu bringen. Die GZPK organisiert einmal im Jahr einen „Tag der offenen Zuchtgärten“ zu dem alle Interessierte herzlichen willkommen sind.
Ein großes Themenspektrum
Angeregt vom Input der Workshops, treffen sich am Nachmittag alle Tagungs-Teilnehmer:innen wieder in der Mehrzweckhalle. Hier werden die Themen und Diskussionspunkte der einzelnen Gruppen noch einmal in Kurzform für das Plenum zusammengetragen. Damit wird nicht nur das große Themenspektrum deutlich, das uns während der Tagung beschäftigt hat.
Auch die Aufgaben der Zukunft sind evident: Die breite Aufklärung über die Bio-Züchtung samt der Kennzeichnung von Sorten aus Bio-Züchtung im Handel, die Lösung der Finanzierungsfrage der Züchtung sowie die Deckung der Mehrkosten derjenigen, die die Sorten aus Bio-Züchtung anbauen.
Die Aufgaben der Zukunft
Diese Aufgaben können nur gemeinsam durch alle Beteiligten in der Bio-Lebensmittelwirtschaft gelöst werden. Die Teilnehmer:innen der Tagung zumindest sind sich einig, dass die Veranstaltung wichtige Impulse gegeben und Kontakte ermöglicht hat, um sich intensiver miteinander zu vernetzen und gemeinsam die Bio-Züchtung voranzubringen.
Neben einer Menge Ideen konnte jeder Teilnehmende auch ein Goodie-Bag mit nach Hause nehmen. Es enthielt jeweils einen frisch gebackenen Hefezopf aus Dinkelmehl (Sorten Gletscher und Edelweisser, natürlich aus Bio-Züchtung), eine bioverita-Jubiläumskappe, Äpfel aus Bio-Züchtung von Niklaus Bolliger sowie Saatguttüten von Bingenheimer, Reinsaat und Sativa.
Bildnachweis: Foto 4 Koechlin, Foto6 Binswanger, Fotos 7, 8, 12 Sativa, Foto 11 Kölling, Foto 19 Bodan, Rest bioverita