Nur ein halbes Jahr nach der „Summer edition“ fand die diesjährige BIOFACH wieder im üblichen Monat Februar statt. Zum dritten Mal organisierte bioverita für die Messe einen großen Gemeinschaftsstand unter dem Motto „Treffpunkt Bio-Züchtung“.
Er war zugleich Anlaufstelle für umfassende Information sowie Vernetzungs- und Diskussionsforum zur biologischen Züchtung.
Umfassendes Angebot am Gemeinschaftsstand
Als Mitaussteller waren verschiedene Partner:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dabei: die Saatgutfirmen Bingenheimer Saatgut AG, ReinSaat GmbH und Sativa Rheinau AG, die Züchtungsinitiativen saat:gut e.V. (Gemüsezüchtung) und Poma Culta e.V. (Apfelzüchtung), der Dachverband Ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland e.V., der Saatgutfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft sowie die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit ihrer Ökozüchtungsplattform.
Zudem präsentierten sich die Handelspartner:innen von bioverita mit einem üppigen Gemüseangebot und einer Verkostung von Sorten aus Bio-Züchtung. Auf einem großen Bildschirm im hinteren Bereich des Standes waren persönliche Statements aller Handelspartner:innen zu lesen, warum sie Mitglied bei bioverita sind. Die Firma Petkus rundete das Angebot ab und demonstrierte an einer hochmodernen Maschine, wie feinstes Saatgut durch Drucklufttechnik gereinigt und sortiert wird.
Ideenschmiede
„bioverita bringt all diese Akteur:innen zusammen und setzt mit dem großen Auftritt ein deutliches Zeichen für die Relevanz der Bio-Züchtung“, meint Markus Johann, Geschäftsleiter des Vereins. Er verweist auf die Logos der 58 Mitglieder, die auf der Rückseite des Standes abgebildet sind. Neben vielen Züchtungsinitiativen sind bereits zahlreiche Unternehmen der Biobranche Mitglied.
„Die Messe ist ein wunderbarer Ort, um bestehende Kontakte zu vertiefen und neue Pläne zu schmieden. Wir konnten neue, auch internationale, Kooperationen auf den Weg bringen, um die Sorten aus Bio-Züchtung bekannter zu machen und noch breiter zu vermarkten“, berichtet er.
Eigene Sorten für 30 % Bio
„Es ist gut, dass die Bio-Züchtung einen so großen Auftritt auf der Messe hat“, resümiert auch Dr. Markus Herz. Leiter der Ökozüchtungsplattform Ruhstorf der LfL. „Es ist wichtig, dass wir als öffentliche Forschungseinrichtung hier präsent sind und das Thema nach außen tragen. Wir bieten regionalen Züchtungsunternehmen die Möglichkeit, neue Sorten unter Biobedingungen zu testen und vernetzen sie gezielt mit Verarbeitern.
Diese fachliche Unterstützung bei der Entwicklung von Biosorten ist auch von politischer Seite gewünscht“, ergänzt Herz` Kollegin Lucia Holmer. Schließlich sollen bis 2030 mehr als ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Dafür werden zunehmend regional angepasste Biosorten für Landwirtschaft und Verarbeitung gebraucht.
Herausforderung Neue Gentechniken
CRISPR/Cas oder Bio-Züchtung? Entscheiden Sie jetzt! Die provozierende Aufforderung prangte prominent auf der Wand des Messestandes und lenkt damit gleich auf die aktuelle Herausforderung, der sich der Biolandbau sehr wahrscheinlich demnächst gegenübersieht.
Die EU-Kommission plant die Deregulierung der sogenannten Neuen Gentechniken, von denen CRISPR/Cas die prominenteste ist. Konkret bedeutet dies, dass gentechnisch veränderte Organismen angebaut und verarbeitet werden dürfen, ohne entsprechend angemeldet und gekennzeichnet zu sein.
Viele offene Fragen
Wie also unterscheiden, was verändert wurde und was nicht? Das Versprechen der biologischen Landwirtschaft gentechnikfrei zu arbeiten, ist in Gefahr. Viele Gespräche auf der Messe waren geprägt von der drohenden Veränderung im Gentechnikrecht und den vielen ungeklärten Fragen, die damit einhergehen. Barbara Maria Rudolf von der Züchtungsinitiative Saat:gut e.V. äußert sich besorgt:
„Gerade als kleine Züchtungsinitiative sind wir darauf angewiesen, dass wir mit anderen Züchter:innen Material austauschen können, um neue Sorten zu entwickeln. Die biologische Züchtung wäre zukünftig stark beschnitten, wenn konventionell gezüchtete Sorten nicht mehr in neue Züchtungsprojekte einbezogen werden könnten“, fasst sie die Bedenken vieler Kolleg:innen zusammen.
Mehr Bio-Züchtung in der Zukunft
Doch Barbara Maria Rudolf, Bioland-Landwirtin und Züchterin, hat auch Positives zu berichten. Sie ist Gründungsmitglied des Dachverbands Ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland e.V. Dieser setzt sich seit dem letzten Jahr auf politischer Ebene für die Förderung der biologischen Züchtungsforschung und Züchtung ein.
„Wir sind guten Mutes, dass es in Zukunft mehr Bio-Züchtung geben kann. Das ist auch dringend nötig. Vielleicht ist die Bedrohung durch CRISPR/Cas der Anstoß, den wir in der Biobranche brauchen. Es ist ja kein wünschenswerter Zustand, dass so viele konventionelle Sorten im Biolandbau verwendet werden“, betont sie.
Unterstützung durch die Bundesregierung
„Die Messe ist diesmal sehr politisch“, konstatiert Gebhard Rossmanith, der als Vorstand der Bingenheimer Saatgut AG jahrzehntelang die Saatgutproduktion aufgebaut und biologische Züchtung gefördert hat. „Dadurch, dass die grüne Bundesregierung den Biolandbau pushen will, entsteht eine Aufmerksamkeit für unsere Arbeit, die wir über viele Jahre so nicht erlebt haben“, stellt er erfreut fest.
Gleichzeitig sieht er den Wertekanon der Biobranche in Gefahr, „da Bio durch die Corona-Pandemie sehr in die Breite gegangen ist und nun neue, sehr große Player mitmischen. Es wird sich zeigen, ob sie willens sind, die Prinzipien des Biolandbaus als eigenen Impuls zu leben.“
Bio-Züchtung als existenzieller Faktor
Die Rolle der Bio-Züchtung bewertet er in diesem Kontext als existentiell. „Kurzfristig wird sie zwar nicht ausreichend viele Sorten für den Biolandbau zur Verfügung stellen können. Aber indem sie eine immer stärkere Konkurrenz für die am Ökolandbau interessierten konventionellen Züchtungsfirmen wird, kann die Bio-Züchtung die Leitlinien für deren Aktivitäten für den Ökolandbau vorgeben.
Die konventionelle Züchtung muss sich an den Prinzipien und Bedürfnissen des Biolandbaus orientieren und nicht umgekehrt,“ so Rossmaniths Forderung. Die Bio-Züchtung mache schließlich vor, wie Bio von Anfang an geht.
Standards für die Bio-Züchtung
„Leider steht die Präzisierung des gesetzlichen Rahmens von Bio-Züchtung noch aus,“ erklärt Herbert Völkle von der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) und Gründungsmitglied des Dachverbands. Daher hat der Verband auf Grundlage der Standards von IFOAM OE und ECO-PB (European Consortium for Organic Plant Breeding) eine konkrete Definition erarbeitet und diese mit dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) abgestimmt.
Diese Definition kann der Politik nun als Richtschnur dienen. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) wendet sie bereits als Rahmen zur Vergabe von Fördermitteln an. „Das ist ein wichtiger Schritt“, freut sich Völkle. In diesem Jahr will er mit seinen Züchterkolleg:innen vom Dachverband noch vieles bewegen. Die BIOFACH und der Treffpunkt Bio-Züchtung gaben wieder einen guten Rahmen, um diesen Zielen näher zu kommen.
Fotos: bioverita