BIOFACH 2022: Nach vielen Monaten der Vorbereitung hat sie in der letzten Juliwoche endlich stattgefunden – wegen der Corona-Pandemie erstmalig als „Summer Edition“. bioverita organisierte auf 150 qm Fläche zum zweiten Mal einen Gemeinschaftsstand unter dem Motto „Treffpunkt Bio-Züchtung“. Mitgemacht haben viele Partner:innen, die sich für die Bio-Züchtung einsetzen:
Züchtungsinitiativen aus den Bereichen Gemüse, Getreide, Obst und Tierzucht, die Saatgutfirmen Bingenheimer Saatgut AG, ReinSaat GmbH und Sativa Rheinau AG sowie einige der Handelspartner:innen von bioverita. An ihren Ständen konnten Besucher:innen ins Gespräch kommen und sich umfassend über die Bio-Züchtung informieren.
Umfassendes Angebot am Gemeinschaftsstand
Eine Saatgutsortiermaschine der Firma Petkus ergänzte das Angebot am Treffpunkt. Viele Fachbesucher:innen kamen extra, um sich anzuschauen, wie die Maschine auch kleinste Samen technisch reinigt und sortiert. Die Handelspartner:innen präsentierten einen bunten Korb mit frischem Gemüse aus Bio-Züchtung.
Gurken, Tomaten und Möhren konnten verkostet werden und haben mit ihrem tollen Geschmack manch einen unmittelbar von der hohen Qualität des Gemüses überzeugt. Viel Lob und Bewunderung gab es auch für die Dekoration mit Jungpflanzen. Sie vermittelten auf den ersten Blick die Vitalität der biologisch gezüchteten Sorten.
Gemeinsamer Auftritt
Marie Marschoun, Leiterin Marketing bei der Bingenheimer Saatgut AG, betont, wie wichtig dieser gemeinsame Auftritt sei, um dem Thema „Bio-Züchtung“ die nötige Präsenz zu verleihen. Die Funktion von bioverita sehe sie darin, viele Akteure von verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette, über Ländergrenzen hinweg, an einem Tisch und unter einem Label zu vereinen. „bioverita wird immer bekannter, aber wir brauchen noch einige Geduld.
Ich hoffe, dass die neu entbrannte Diskussion um die Deregulierung der Neuen Gentechniken die Bio-Züchtung als Alternative noch mehr in den Fokus rückt“, konstatiert sie. Die Bingenheimer Saatgut AG ist schon seit Jahren sehr aktiv, um die Sorten aus Bio-Züchtung und ihre besonderen Qualitäten ihren Kund:innen vorzustellen. Anlässlich der Messe hat das Unternehmen ein neues Tisch-Display für den Handel hergestellt, in dem ausschließlich Samentütchen mit dem bioverita-Logo Platz finden.
Intensivere Gespräche als sonst
Ob wegen des Termins mitten in den Sommerferien oder aus Vorsicht vor einer Corona-Ansteckung – die Messe hatte nur etwa die Hälfte der Besucher:innen von 2020. Entsprechend niedriger war die Frequenz am Gemeinschaftsstand. Die Gespräche waren dafür intensiver, neue Kontakte hatten mehr Ruhe, die in der Vergangenheit in der Hektik oft gefehlt hat.
So berichtet Kultursaat-Geschäftsführer Michael Fleck von „mehr Gelegenheiten, die sich ergeben haben: Freiräume für z.T. auch überraschende Gespräche, die ein neues Saatkorn für die Zukunft legen können. Die sommerlichen Temperaturen haben zudem für eine sehr freie und leichte Stimmung unter den Gästen gesorgt.“
Neue Kontakte und internationaler Austausch
Monika Messer, beim Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) zuständig für Pflanzenzüchtung, sieht viele positive Aspekte des gemeinsamen Auftritts beim „Treffpunkt Bio-Züchtung“: „Es ist immer wieder gut, viele Bio-Züchter an einem Ort zu haben, um sich auszutauschen. Wir konnten einige Interviews für das Projekt `Engagement.Biobreeding` führen und es haben sich neue, auch internationale Kontakte ergeben.
Zum Beispiel ist ein professioneller Saatguthersteller aus Kenia für eine Kooperation auf uns zugekommen. Wir hoffen, dass wir dort und in anderen afrikanischen Ländern das ländliche Saatgutsystem fördern können gegen den starken Druck der großen Unternehmen“, berichtet sie.
Interesse an den Sorten steigt
Carsten Tiede vom Keyserlingk-Institut, der den Stand der biologisch-dynamisch arbeitenden Getreidezüchter:innen betreute, war trotz der geringeren Besucher:innenzahl sehr zufrieden mit den Anfragen zu den Sorten aus Bio-Züchtung. „Der einseitige Fokus der konventionellen Züchtung auf den Ertrag und den größten ökonomischen Nutzen, hat uns in eine Sackgasse geführt.
Bestimmte Qualitäten wie der Geschmack, die Inhaltsstoffe und die Bekömmlichkeit sind auf der Strecke geblieben“, stellt er fest. Als Beispiele nennt er die verbreiteten Gesundheitsprobleme, verursacht durch Gluten- und Weizenunverträglichkeit. „Es zeigt sich, dass die biologische Züchtung eine gute Alternative bietet. Das Interesse dafür steigt“, resümiert er.
Biobranche in der Krise
Der Krieg in der Ukraine, die damit einhergehende Energiekrise und die eingebrochenen Umsätze im Biohandel bestimmten viele Gespräche. Michael Fleck konstatiert der Biobranche eine „Schockstarre“, die mittelfristig auch die biologischen Züchter:innen treffen dürfte.
Wegen der gesunkenen Umsätze werden 2023 wahrscheinlich weniger Fördermittel für die Bio-Züchtung zusammenkommen. „Das ist nicht gerade der Wind unter den Flügeln, den man sich wünscht“, bemerkt Fleck. „Und trotzdem oder erst recht deshalb sind wir hier [auf der Messe]! Das Interesse an unserer Arbeit wächst auf jeden Fall“, fasst er zusammen.
Versprechen der Politik
Nachrichten über Hitze und Dürre in weiten Teilen Deutschlands und einigen Ländern Europas überschatteten die Messe. Die Notwendigkeit zum Wandel hin zu einer nachhaltigen und damit auch klimaresistenteren Landwirtschaft wurde auf der Messe oft zitiert. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen bekräftigte dies in seiner Rede bei der Eröffnungsveranstaltung der BIOFACH. Er stellte in Aussicht, dass sich die Grünen dafür stark machen, dass zukünftig mindestens 30 % des Forschungsbudgets für die Landwirtschaft in die Forschung für Bio fließen sollen (derzeit sind es 2 %).
Eine Maßnahme, die mehr als überfällig ist – besonders angesichts des Ziels der Bundesregierung, dass 30 % der Agrarflächen in Deutschland bis 2030 biologisch bewirtschaftet werden sollen. Im Nebensatz erwähnte Özdemir in seiner Rede auch die Pflanzenzüchtung. Sie solle in der Forschung einen besonderen Schwerpunkt bilden. Hoffen wir, dass diese Pläne rasch umgesetzt werden können, um die biologische Züchtung trotz aller Widrigkeiten rasch voranzubringen.
Podiumsdiskussion zur Bio-Züchtung
Die von bioverita organisierte Podiumsdiskussion am letzten Messetag trug unter dem Titel „Kann die Bio-Züchtung zu einer qualitativen Weiterentwicklung des Biolandbaus beitragen?“ verschiedene Positionen aus Züchtung, Anbau, Handel und Forschung zusammen.
Die Ergebnisse der Diskussion können Sie hier nachlesen.
Fotos: bioverita