Neues Mitglied Züchtungsinitiative Culinaris

Alte und neue Sorten für den Anbau unter „Low-Input-Bedingungen“

Wir freuen uns sehr, dass die Initiative „Culinaris-Saatgut für Lebensmittel“ seit 2023 neues bioverita-Mitglied ist. Gründer Bernd Horneburg arbeitet mit einem Team von sieben festen Mitarbeiter:innen im niedersächsischen Rosdorf bei Göttingen. Horneburg forscht schon seit Jahrzehnten zu regional angepassten Sorten.

Er war in den 1990er-Jahren Mitbegründer der AG für ökologisches Saatgut (heute Dreschflegel Gbr) und Teil des Initiativkreises für Gemüsesaatgut aus biologisch-dynamischem Anbau (heute Kultursaat e.V.). Nach wissenschaftlichen Projekten an der Uni Göttingen ist er heute im Fachgebiet Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrarbiodiversität der Uni Kassel tätig.

Logo von Culinaris

Sichtung alter Sorten

Der Gründung von Culinaris 2011 ging ein EU-Projekt für Regionale Entwicklung voraus, das sich mit der Selektion, Anmeldung und Vermarktung neuer Tomatensorten für das Freiland beschäftigte. „Im Rahmen des Projekts wurden viele historische Sorten gesichtet, die am Markt nicht mehr erhältlich waren. Diejenigen, die sich als anbauwürdig erwiesen, sollten wieder verfügbar gemacht werden. Das war der Startschuss für Culinaris“, berichtet Moritz Halekotte, Produktionsleiter der Initiative.

Tomaten bilden heute mit etwa vierzig Sorten immer noch einen Schwerpunkt im Sortiment, besonders das breite Angebot an Freilandtomaten sticht hervor. Seit Gründung ist die Initiative Projektpartner des Freilandtomatenprojekts. Dies ist ein partizipatives Selektions- und Züchtungsprogramm, aus dem unter anderem neue samenfeste Sorten mit einer guten Toleranz gegen Krautfäule (Phythophthora infestans) hervorgegangen sind.

Salattomate mit dem vorläufigen Namen „820-x“

Partizipative Züchtung

„Die partizipative Züchtung wird auch beim jährlich stattfindenden Tomatentag praktiziert. Gemeinsam mit Fachbesucher:innen werden Tomatenzuchtlinien selektiert“, berichtet Halekotte. Er koordiniert im Unternehmen die praktischen Tätigkeiten für Vermehrung, Erhaltung und Züchtung. 50-100 Züchtungslinien werden jährlich bei Culinaris bearbeitet, in Summe können das schonmal zwischen 5.000 und 10.000 Pflanzen sein.

Sowohl Züchtung als auch Vermehrung der Sorten passiert hauptsächlich in und um die eigene Gärtnerei in Rosdorf auf etwa zwei Hektar Fläche. Aus Kapazitätsgründen oder um die klimatischen Vorteile auszunutzen, arbeitet Culinaris aber auch mit Betrieben an anderen Standorten zusammen. Wichtige Züchtungsschritte finden oft parallel an mehreren Standorten statt, um die klimatische Anpassung zu fördern bzw. zu testen.

Tomatenanbau im Freiland

Erste Sorten für den geschützten Anbau

Die Züchtung von neuen Tomatensorten braucht im Schnitt neun Generationen und Jahre. Entsprechend stolz ist das Team, 2023 gleich vier neue Tomatensorten angemeldet zu haben. Für Culinaris ein Novum: Diese vier Sorten sind für den Anbau in Gewächshäusern und Folientunneln gezüchtet. „Sie weisen eine gute Pflanzengesundheit auf, überzeugen aber gleichzeitig mit ausgezeichnetem Geschmack, guter Fruchtqualität und guten Erträgen.

Diese Sorten empfehlen wir explizit auch für den Erwerbsanbau“, hebt Halekotte hervor. Die langjährige Tomaten-Kompetenz schätzt auch die Firma Voelkel, die zukünftig gerne einen Tomatensaft aus deutschen Tomaten herstellen möchte und schon Probesäfte hergestellt hat. Der Safthersteller ist insbesondere an Buschtomaten interessiert. Sie haben den Vorteil, dass sie nicht ausgegeizt oder aufgeleitet werden müssen. Gleichzeitig können sie an wenigen Ernteterminen abgeerntet werden und liefern einen hohen Ertrag.

Buschtomaten liefern reiche Ernte

Vermarktung von Saatgut

Das Saatgutsortiment von Culinaris richtet sich vor allem an Hausgärtner:innen, aber auch an Betriebe wie Solidarische Landwirtschaften oder Abokistenbetriebe, die Wert auf samenfeste und nachbaufähige Sorten legen. Das Saatgut wird über den eigenen Onlineshop und über Wiederverkäufer online und offline verkauft. Neben Tomaten sind hier inzwischen auch viele Gemüsesorten zu finden.

Darunter 25 Sorten Fruchtgemüse (neben Paprika und Chili z.B. auch Melonen), aber auch Wurzelgemüse, Kohl und Zuckermais. Auch viele der Gemüsesorten im Culinaris-Sortiment sind als Favoriten aus umfangreichen Sichtungen hervorgegangen. Die besten werden als Amateursorte angemeldet und so für einen größeren Personenkreis verfügbar gemacht.

Melone Blacktail Mountain

Ertragreich trotz Low-Input-Bedingungen

Außerdem enthält das Sortiment Raritäten, die die Initiative aus privater Erhaltung oder von anderen Engagierten erhalten oder in Genbanken gefunden hat. „Alle Sorten eint ihre Eignung für den Anbau unter „Low-Input-Bedingungen“, also mit geringer oder fehlender Bewässerung und Düngung“, erklärt Halekotte.

Dabei sollen die Pflanzen trotzdem kräftig, gesund und ertragreich sein. Mit der Kooperation mit bioverita verbindet Halekotte die Hoffnung, dass die Bio-Züchtung insgesamt bekannter wird und die Sorten aus dem Culinaris-Sortiment eine noch größere Verbreitung finden. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Sortenvielfalt bei Culinaris

Fotos: Culinaris