Erbsen gehören die Zukunft

Porträt von Züchterin Agata Leska

„Erbsen sind wahre Alleskönner. Sie sind vielfältig in der Verwendung, sie reichern Stickstoff im Boden an und sind wichtige Proteinquellen für Tier und Mensch“, schwärmt Agata Leska (Jg. 1977). Sie muss es wissen, denn seit zehn Jahren beschäftigt sich die Züchterin der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) mit dieser Kultur. Erbsen gehören zu den Körnerleguminosen, deren Anbau in den letzten Jahrzehnten unpopulär geworden ist.

Doch mit der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Fruchtfolgen zur Bodenverbesserung sowie nach fleischlosen Proteinquellen werden sie neuerdings wieder interessant. „Kichererbsen und Linsen wurden bereits wiederentdeckt“, erklärt Leska, „dabei eignen sich Erbsen viel besser für den Anbau in Deutschland oder der Schweiz.“

Porträt Agata Leska

Der Weg zur Züchtung

Die gebürtige Polin hat in Warschau Gartenbau studiert, 2002 kam sie in die Schweiz, um Deutsch zu lernen. Für die Liebe blieb sie schließlich in der Schweiz. Vor ihrer Tätigkeit für die GZPK arbeitete sie u.a. bei Agroscope in Zürich im Bereich der Sortenprüfung. Als Leska 2011 zur GZPK wechselte, lag hier der Schwerpunkt der Züchtungsprojekte klar beim Getreide. Aber als „Feierabendprojekt“ gab es bereits erste Anbau- und Kreuzungsversuche mit Leguminosen.

Ab 2012 konzentrierte sich Leska dann auf die Erbsen. „In Polen werden sehr viele Erbsen angebaut, entsprechend gibt es eine große Sortenauswahl dort. An den drei staatlich finanzierten Züchtungsfirmen wird zu Proteinpflanzen geforscht, darunter Erbsen“, berichtet die Züchterin und gibt damit einen interessanten Blick über den „Tellerrand“.

Erbsenhülsen

Sortensichtung als Mammutaufgabe

Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse konnte sie sich einen guten Überblick über den Stand der Züchtung in Polen verschaffen und Kontakte zu Kolleg:innen knüpfen. Anschließend begann sie, Erbsensorten aus Polen und vielen anderen Ländern zur Sichtung anzubauen, um deren Eigenschaften kennenzulernen.

„Es gab Jahre, da habe ich 120 Sorten auf dem Feld gehabt. Darunter grüne, gelbe und braune Erbsen. Alles zu beobachten und zu beschreiben, ist eine sehr intensive Arbeit. Jede Sorte ist praktisch wie ein Kind. Man muss herausfinden, welche Eigenschaften jede einzelne Sorte mitbringt“, schildert Leska ihre Mammutaufgabe.

Erbsenblüten

Züchtungsziele

Da weder alte Sorten aus Genbanken noch neue, andernorts bewährte Sorten in der Schweiz gut funktionierten, entschied die GZPK, ganz neue Sorten zu züchten. „Sie sollen angepasst sein an die hiesigen Klima- und Bodenbedingungen sowie einen hohen Ertrag und Proteingehalt aufweisen.

Gleichzeitig sind die Standfestigkeit, die Beerntbarkeit, guter Geschmack und überzeugende Blattgesundheit von hoher Bedeutung. Zudem ist uns wichtig, dass die Erbsen nicht nur als Tierfutter verwendet werden können, sondern auch für die menschliche Ernährung“, fasst Leska die hoch gesteckten Ziele zusammen.

Erbsen und Lupinen im Zuchtgarten in Feldbach

Fingerspitzengefühl gefragt

Die Sorten, die gute Eigenschaften im Sichtungsanbau zeigten, verwendete die Züchterin als Kreuzungspartner, um neue Merkmalkombinationen zu schaffen. Pro Jahr nahm die Erbsen-Spezialistin händische Kreuzungen mit etwa 30 Sorten vor. Zehn Kreuzungen pro Kreuzungseltern sollten es sein, um sicherzugehen, am Ende auch genügend Erbsen zur Wiederaussaat zu haben. Das bedeutet 300 mal im Jahr Fingerspitzengefühl zu beweisen und mit der Pinzette die Staubblätter einer Erbsenblüte mit den darauf liegenden Pollen zu entfernen und anschließend die Pollen einer anderen Blüte aufzutragen.

Aus der bestäubten Blüte bildet sich dann eine Hülse mit drei bis fünf Erbsensamen. In der nächsten Generation wachsen daraus bis zu fünf Erbsenpflanzen mit je 30 bis 60 Samen. Aus den neu entstandenen Generationen selektierte Leska wieder und wieder die vielversprechendsten Exemplare. Im Laufe der Jahre halfen ihr verschiedene Kolleg:innen bei den Auswertungen.

Manuelle Bestäubung einer Erbsenblüte

Sorten in der Bewährungsprobe

„Übrig geblieben sind drei Züchtungslinien, die sehr viel Potenzial haben“, freut sich die Züchterin. Ihre Qualität wird seit dem letzten Jahr für insgesamt drei Jahre durch Swissgranum getestet. Die Schweizerische Branchenorganisation für Getreide, Ölsaaten und Eiweisspflanzen führt derzeit Sortenversuche mit verschiedenen Winter- und Sommererbsen durch. Mit finanzieller Unterstützung des Schweizerischen Bundesamtes für Landwirtschaft soll eine Empfehlungsliste für Landwirt:innen entstehen. Im Sortenversuch sind sowohl Sorten aus konventioneller als auch aus Bio-Züchtung.

Sie werden an sechs verschiedenen Standorten geprüft, zwei davon sind Bioflächen. Das Jahr 2021 war insgesamt sehr ungünstig für Erbsen. Viele Landwirt:innen haben aufgrund der hohen Niederschläge und Hagel-Unwetter im Juni, die die Pflanzen auf den Boden drückten, nichts ernten können. Aber: „Die Sorten aus Bio-Züchtung waren die besten auf den Bioflächen, und auch auf den konventionell bewirtschafteten Flächen haben sie sehr gut funktioniert. Wir konnten die Leute überzeugen, dass die Bio-Züchtung eine große Rolle spielt“, resümiert Leska das erste Testjahr.

Die Blattmasse der Erbsenranken

Anbau in Mischkultur

Die extremen Wetterbedingungen im Sommer 2021 haben die Bedeutung der Standfestigkeit besonders dramatisch vor Augen geführt. Um sie zu erhöhen, empfiehlt sich der Erbsen-Anbau in Mischkultur. Dabei werden die Erbsen zusammen mit einem Getreide als Stützkultur ausgesät. Im Versuchsanbau der GZPK hat sich Gerste als Stützkultur bewährt.

„So kann die üppige Blattmasse der Leguminose an den Halmen des Getreides ranken und hat Halt. Außerdem wird das Unkraut durch das Gemenge sehr gut unterdrückt, der Ertrag ist stabiler und damit umso interessanter für die Landwirt:innen“, erklärt Leska. Geerntet werden beide Kulturen zusammen, in der Mühle werden die Bestandteile dann mechanisch voneinander getrennt.

Erbsen und Gerste in Mischkultur

Die nächsten Schritte

Swissgranum testet die Mischkultur nur an einem der Biostandorte, dadurch sind die Sorten aus Bio-Züchtung im Test im Nachteil, gibt Leska zu. Sie hofft dennoch, dass ihre Sorten es auf die Empfehlungsliste schaffen, dann könnten die Sorten anschließend in den nationalen Sortenkatalog der Schweiz aufgenommen werden. Um nicht nur in der Schweiz, sondern EU-weit verkauft werden zu dürfen, müssten sie anschließend noch einmal zwei weitere Jahre in die europäische Sortenprüfung.

Währenddessen geht die Züchtungsarbeit bei der GZPK weiter. Inzwischen hat die Körnerleguminosenzüchtung einen festen Platz bei der GZPK und wird durch vier weitere Kolleg:innen mit unterschiedlichen Spezialisierungen dauerhaft unterstützt. Das Ziel ist, in Zukunft weitere Sorten in die Anmeldung zu bringen.

Erbsenzuchtgarten in Uster

Erbsen für die menschliche Ernährung

„Erbsen haben als proteinhaltige Lebensmitteln unheimlich viel Potenzial. Es gibt bereits einige auf dem Markt, viele Firmen forschen aber auch noch zu den Verwendungsmöglichkeiten. Noch ist das Erbsen-Steak aus dem 3D-Drucker Zukunftsmusik, aber Fallafel- oder Hummus aus Erbsen kann jedermann leicht zu Hause herstellen“, berichtet die Züchterin.

Sie hat sogar eigene Rezepte entwickelt (siehe Link unten). Um herauszufinden, welche Erbsensorte sich für welche Art der Verarbeitung eignet, führt sie geschmackliche und sensorische Untersuchungen durch.

Verschiedene Erbsensorten in der Verkostung

Lupinen als nächste Herausforderung

Andere Leguminosen eignen sich ebenfalls sehr gut als Stickstoff- und Proteinlieferanten. Lupinen beispielsweise können mit ihren langen kräftigen Wurzeln zusätzlich Phosphor aus tiefen Bodenschichten nach oben bringen. Im Rahmen eines dreijährigen Projektes mit dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) und Bio Suisse begleitet Leska für die GZPK den Versuchsanbau von insgesamt zehn Lupinensorten in verschiedenen Anbauverfahren (Reinsaat und Mischkultur mit anderen Kulturen).

Mehr und mehr Landwirt:innen möchten Lupinen anbauen, sind aber auf fundierte Erfahrungswerte mit Sortenempfehlungen angewiesen. Leska freut sich über die steigende Nachfrage – und das nicht nur als begeisterte Trinkerin von Lupinenkaffee, schmunzelt sie.

Lupinenblüte

Eine Rezeptsammlung von Agata Leska und ihren Kolleg:innen inspiriert zum Experimentieren mit Erbsen, Lupinen & Co. (Download als pdf)

Erbsenhummus

Wer noch mehr über die Erbsenzüchtung erfahren möchte, sollte auf der Website der GZPK vorbeischauen.

Außerdem empfehlen wir dieses informative Video, in dem auch andere Mitarbeiter:innen der GZPK aus der Erbsenzüchtung zu Wort kommen:

Fotonachweis: Fotos 4, 5, 7, 9, 11, 12 GZPK, Rest bioverita