25 Jahre Saatgutfonds

„Angesichts der Tatsache, dass die EU das Gentechnikgesetz aufweichen will, ist der Bedarf an biologisch gezüchteten Sorten für den Biolandbau umso dringender,“ konstatiert Oliver Willing, Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Zur Zukunftsstiftung gehört seit dem Jahr 2000 der Saatgutfonds, der seit nun 25 Jahren die biologische Züchtungsforschung finanziell fördert. Die Gründung des Saatgutfonds geht auf die Initiative von Albert Fink, damals Vorstand der GLS-Bank, und Dirk Lücke, ehemaliger Manager, heute Landwirt, zurück.

Weltweit gibt es keine vergleichbare Institution. Die beiden brachten 1996 140.000 DM zusammen, die noch im selben Jahr an die ersten biodynamischen Züchtungsinitiativen verteilt wurden. „Damals wie heute war das Ziel, die Entwicklung von samenfesten und gentechnikfreien Sorten zu fördern, um dem Biolandbau Alternativen zu Hybridsorten zu bieten“, fasst Oliver Willing die Motivation der Initiative zusammen.

Jubiläumslogo Saatgutfonds
Das Jubiläumslogo des Saatgutfonds

Möhre Rodelika machte den Anfang

„Mit der Entwicklung von Hybridsorten wurde die Nachbaufähigkeit eingeschränkt, der konventionelle Saatgutverkauf wurde zu einem Gewinn bringenden Geschäft und damit das Kulturgut Saatgut zum Wirtschaftsgut,“ ergänzt Willing. Dabei hat der Biolandbau mit seinem Kreislaufgedanken und mit den eingeschränkten Pestizid- und Düngegaben ganz eigene Ansprüche an die Züchtung.

Über 50 Getreide- und über 100 Gemüsesorten, die beim Bundessortenamt angemeldet sind, konnte der Saatgutfonds bisher fördern. Die Möhre Rodelika aus der Züchtung von Dieter Bauer war im Jahr 1998 die erste biologisch-gezüchtete Sorte mit offizieller Anmeldung.

Möhre Rodelika
Möhre Rodelika

Wachsende Zahl an Züchtungsprojekten

Bauer war als Züchtungspionier auch Mitbegründer des Züchternetzwerks Kultursaat e.V., zu dem heute etwa 45 Züchter:innen in Deutschland und angrenzenden Ländern gehören. „Als wir anfingen mit dem Saatgutfonds, wurde die alternative Züchtung nur von einzelnen Pionieren getragen. Es ist erfreulich, dass es jetzt eine breitere Basis gibt, auch wenn die noch deutlich wachsen muss“, berichtet Willing. Die Zahl der Züchtungsinitiativen ist nach wie vor überschaubar.

Neben Kultursaat e.V. sind es derzeit sieben weitere Züchtungsinitiativen und insgesamt über 100 Projekte, die gefördert werden für die Forschung zu neuen samenfesten Gemüse-, Getreide-, Kräuter- und Obstsorten. Da die Züchtung einer neuen marktfähigen Sorte mindestens 10, häufig aber auch 15 oder mehr Jahre dauert, ist dem Saatgutfonds die Kontinuität in der Förderung sehr wichtig. Über die Mittelvergabe entscheidet jährlich ein eigenes Gremium, der Treuhänderkreis.

Zucchini Solara
Neuzüchtung Zucchini Solara von Kultursaat e.V.

Herkunft der Spenden

„Anders als der Name vermuten lässt, hat der Saatgutfonds kein Eigenkapital. Es handelt sich um einen sogenannten „revolvierenden“ Fonds, ein Spendensammelfonds, der sich jedes Jahr erneuert“, erklärt Willing. Im Jahr 2020 hat er 1,7 Millionen EUR Spenden eingeworben, ein Rekordwert. Ungefähr 1/3 der Summe stammt von privaten Spender:innen, 1/3 von Unternehmen der Bio-Lebensmittelbranche und  1/3 von Stiftungen, bei denen der Saatgutfonds seinerseits Gelder beantragt. Staatliche Gelder bekommt der Saatgutfonds nicht.

„Wir freuen uns sehr über die privaten Spenden, die allermeistens zwischen 50 und 500 EUR betragen. Das erscheint erst einmal wenig. Aber wir wissen, dass uns diese Menschen besonders verbunden sind und die Sache wirklich voranbringen wollen“, stellt Willing erfreut fest. So ist in den 25 Jahren das Spendenvolumen jährlich gewachsen, bis auf zwei Jahre mit leichten „Einnahme-Dellen“. Die steigenden Spenden sind ein Beleg dafür, dass das Thema einer eigenständigen Bio-Züchtung immer breiter wahrgenommen wird.

Brandex Winterweizen Dottenfelderhof
Brandex Winterweizen aus der Züchtung des Dottenfelderhofs

Engagement gegen gentechnische Verunreinigung

Um das Spendenniveau aufrecht zu erhalten oder sogar zu steigern, ist aber viel Engagement notwendig. Der Saatgutfonds stellt seine Arbeit im Internet, bei Veranstaltungen, bei Messen und in Form von Kampagnen vor. Über den Infobrief des Saatgutfonds wird zudem zweimal im Jahr über die Entwicklungen berichtet. Neben Willing selbst koordiniert die langjährige Mitarbeiterin Stella Bünger die Aktionen vom Bochumer Büro aus. Seit 2002 gibt es außerdem ein Büro in Berlin, das sich schwerpunktmäßig mit der Aufklärung über die Gefahren von gentechnischer Verunreinigung bei Saatgut beschäftigt und gesetzliche Regularien dagegen vorangetrieben hat.

Bisher mit großem Erfolg, aber gerade wird das Thema wieder sehr virulent, da neue gentechnische Methoden wie Crispr-CAS, nicht mehr kennzeichnungspflichtig sein sollen. „Sollte der Entwurf durchkommen, was wir mit einem breiten europäischen Netzwerk noch verhindern wollen, ist der Biolandbau erst recht auf eigene Sorten aus biologischer Züchtung angewiesen“, erklärt Willing. „Denn nur so können wir die Gentechnikfreiheit für die Zukunft sicherstellen.“ Nach 25 Jahren Engagement hat sich die Arbeit des Saatgutfonds und der biologischen Züchter:innen mehr als gelohnt. In Zukunft werden wir sie immer mehr zu schätzen wissen.

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Oliver Willing mit Stella Bünger beim Pflanzen eines Apfelbaumes aus biologischer Züchtung

Weitere Informationen zur Arbeit des Saatgutfonds und zu Spendenmöglichkeiten erfahren Sie auf der Website.

Bildnachweis: Bingenheimer Saatgut AG (Foto 2), bioverita (Fotos 3, 4), Tanja Münnich, Saatgutfonds (Foto 5)